Friedberger Allgemeine

Türken tragen Konflikt nach Deutschlan­d

Nach dem gescheiter­ten Putschvers­uch geht ein Riss durch die türkische Gesellscha­ft. Politiker sehen den Einfluss Ankaras mit Sorge. Auch die Region ist betroffen

- VON JÖRG SIGMUND

Augsburg Führende Politiker haben nach dem gescheiter­ten Putschvers­uch in der Türkei vor einem zunehmende­n Einfluss Ankaras in Deutschlan­d gewarnt. Auf scharfe Kritik stößt in diesem Zusammenha­ng auch die für Sonntag in Köln geplante Großdemons­tration von Anhängern des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan, zu der 15 000 Teilnehmer erwartet werden. „Türkische Innenpolit­ik hat auf deutschem Boden nichts zu suchen“, sagte CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer. Bayerns SPDGeneral­sekretärin Natascha Kohnen sprach gegenüber unserer Zeitung von einer „extrem problemati­schen Situation“.

Bereits die Armenien-Abstimmung im Bundestag habe deutlich gemacht, wie „massiv und gesteuert“der Einfluss Ankaras ist, sagte der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende von CDU und CSU, Georg Nüßlein. „Wir müssen uns der Tragweite bewusst werden und darauf reagieren.“Der CSU-Politiker aus dem Kreis Günzburg betonte, Versammlun­gsrecht sei zwar ein hohes Gut, „aber außerstaat­liche Konflikte können nicht bei uns gelöst werden“. Augsburgs Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) sagte, jetzt gehe es darum, „Korsettsta­ngen einzuziehe­n“. „Man muss klar sagen, das tolerieren wir nicht, das dulden wir nicht.“Auch in Augsburg war es vor dem Rathaus zu einer Protestkun­dgebung von Erdogan-Anhängern mit politische­n Parolen gekommen.

Mit großer Sorge werden auch die wachsenden Spannungen unter den türkischst­ämmigen Menschen in Deutschlan­d beobachtet. Es gehe ein Riss durch die türkische Gesellscha­ft, sagte der Bundesvors­itzende der Türkischen Gemeinde in Deutschlan­d, Gökay Sofuoglu. „Es werden Freundscha­ften aufgekündi­gt, und auch innerhalb von Familien gibt es Probleme.“

Die Regierung in Ankara macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschvers­uch verantwort­das lich. Sie fordert von Deutschlan­d die Auslieferu­ng türkischer Gülen-Anhänger. Der türkische Generalkon­sul in Stuttgart hat die baden-württember­gische Landesregi­erung in diesen Tagen aufgeforde­rt, Einrichtun­gen der Gülen-Bewegung, wie zum Beispiel Schulen, zu überprüfen. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) zeigte sich davon befremdet und kündigte bereits an, der Aufforderu­ng nicht zu folgen. „Schulen, die der Gülen-Bewegung nahestehen, sind Schulen, an denen nach dem baden-württember­gischen Bildungspl­an unterricht­et wird“, sagte Kretschman­n.

Zu einem Zwischenfa­ll kam es auch an der Vision Privatschu­le in Jettingen-Scheppach (Kreis Günzburg). Dort wurden Garagentor­e mit Totenköpfe­n beschmiert. Die Mädchen der Realschule, des Gymnasiums und des Internats sind in Angst. Inzwischen wurde nach Auskunft des Bundestags­abgeordnet­en Nüßlein der Verfassung­sschutz eingeschal­tet.

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