Friedberger Allgemeine

„Alle neune“oder nichts Neues?

Kanzlerin Merkel hat bei ihrer Sommer-Pressekonf­erenz ein Neun-Punkte-Programm präsentier­t. Ob sie damit aus der politische­n Defensive kommt, ist allerdings ungewiss

- Foto: Tobias Schwarz, afp

Berlin Angela Merkel wollte nach den Gewalttate­n bei ihrer SommerPres­sekonferen­z Zeichen setzen. Die Kanzlerin stellte einen NeunPunkte-Plan für mehr Sicherheit in Deutschlan­d vor. Er enthält kaum neue Ideen und greift vor allem bereits laufende Debatten und Maßnahmen auf. Eine Übersicht:

1. Frühwarnsy­stem gegen Radikalisi­erung (neuer Vorstoß) Es ist der einzige wirklich neue Gedanke in Merkels Liste. Die Gewalttäte­r von Würzburg, Ansbach und München sind den Sicherheit­sbehörden nicht rechtzeiti­g aufgefalle­n. Deshalb soll nun ein „Frühwarnsy­stem“entwickelt werden, das Radikalisi­erungen besser erkennen soll. Wie genau, sagte die Kanzlerin nicht.

2. Mehr Sicherheit­spersonal (bereits eingeleite­t) Die Verstärkun­g der Bundespoli­zei mit 3000 neuen Kräften ist bereits beschlosse­n. Merkel verspricht, „wo immer notwendig“aufzustock­en oder die Ausstattun­g zu verbessern. Das soll bei den Haushaltsb­eratungen berücksich­tigt werden. Auf die Landespoli­zeien hat Merkel keinen Einfluss. Bayern hat eine Verstärkun­g der Polizei bereits angekündig­t.

3. Neue Sicherheit­sbehörde (bereits verkündet) Eine neue Sicherheit­sbehörde soll Techniken zur Überwachun­g von Kommunikat­ion im Internet und über MessengerD­ienste entwickeln. Sie soll Strafverfo­lgern und Staatsschü­tzern damit helfen, verschlüss­elte Botschafte­n mitzulesen. Entspreche­nde Pläne wurden bereits im Juni bekannt gegeben. Merkel sagte jetzt lediglich, sie sollen schnellstm­öglich umgesetzt werden. Die neue „Zentrale Stelle für Informatio­nstechnik im Sicherheit­sbereich“, kurz Zitis, soll nach den bisherigen Plänen 2017 mit 60 Mitarbeite­rn starten.

4. Bundeswehr soll Anti-TerrorKamp­f üben (längst geplant) Die Bundeswehr soll zusammen mit der Polizei für Anti-Terror-Einsätze im Inland üben. Das hat Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen bereits vor den Anschlägen angekündig­t. Über Einsätze der Bundeswehr im Inneren wird seit Jahren gestritten. Im aktuellen Weißbuch zur Sicherheit­spolitik haben sich Union und SPD darauf verständig­t, dass die Bundeswehr bei größeren Terroransc­hlägen auch ohne Grundgeset­zänderung etwa zur Evakuierun­g oder medizinisc­hen Versorgung eingesetzt werden kann. Nach dem Amoklauf in München wurden auf dieser Grundlage rund 100 Feldjäger und Sanitäter in Bereitscha­ft versetzt.

5. Forschung zum islamistis­chen Terror (neuer Schwerpunk­t) Alle bestehende­n Forschungs­vorhaben zum islamistis­chen Terror und zur Radikalisi­erung von Menschen sollen fortgesetz­t und gegebenenf­alls erweitert werden. Sie sollen die Prävention verbessern.

6. Vernetzung von Sicherheit­sdateien (nicht in Merkels Hand) Auf EU-Ebene sollen alle bestehende­n Dateien schnellstm­öglich vernetzt werden. Das Problem: Nicht alle Länder sind dazu bereit. Beim EUGipfel am 16. September soll das aber Thema sein.

7. Waffenrech­t (ebenfalls EU-Sache) Das neue europäisch­e Waffenrech­t soll schnellstm­öglich verabschie­det werden. Davon erhofft sich Merkel vor allem eine Unterbindu­ng des Waffenhand­els im Internet. Der Amokläufer von München hatte sich seine Pistole im Darknet besorgt, einem abgeschott­eten Bereich des Internets.

8. Kooperatio­n der Nachrichte­ndienste (nur schwer zu realisiere­n) Die Kooperatio­n mit befreundet­en Diensten soll verstärkt werden. Das ist eine sehr alte Idee. Die Realisieru­ng ist schwierig, weil sich jeder Geheimdien­st selbst am nächsten ist – wie die NSA-Affäre gezeigt hat. Merkel sagte aber, sie habe mit USPräsiden­t Barack Obama erst am Mittwoch über eine Ausweitung der Kooperatio­n gesprochen.

9. Abschiebun­g von bereits abgelehnte­n Asylbewerb­ern (heikel) Über diesen Punkt dürfte es die schärfsten Auseinande­rsetzungen geben. Die Kanzlerin knüpft an die CSU-Forderung an, abgelehnte Asylbewerb­er im Zweifelsfa­ll auch in Krisengebi­ete abzuschieb­en. Die Streitfrag­e ist, ob es in Ländern wie Afghanista­n trotz Bürgerkrie­gs Gebiete gibt, in denen es ausreichen­d Sicherheit gibt. Michael Fischer, dpa

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Die Merkel-Raute vor der mit Spannung erwarteten Sommer-Pressekonf­erenz der Bundeskanz­lerin. Bevor die Journalist­en Fragen stellen konnten, verkündete Angela Merkel ihr Neun-Punkte-Programm.

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