Friedberger Allgemeine

Für Erdogan auf die Straße

Am Sonntag wird Köln zur Bühne für hier lebende Anhänger des türkischen Präsidente­n. Das empört viele Bürger

- Foto: dpa

Köln „Irrsinn“, „Skandal“, „Missbrauch“– so wettern Leserbrief­schreiber in Köln seit Tagen gegen eine für Sonntag geplante Pro-Erdogan-Demonstrat­ion. Mehr als 15000 Teilnehmer will die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) dafür zusammen mit anderen türkischen Gruppen mobilisier­en. Die UETD gilt als verlängert­er Arm der AKP, der Partei des türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan. Das Thema der Kundgebung lautet „Militärput­sch in der Türkei“.

2000 Polizisten sind schon zum Sonntagsdi­enst eingeteilt. Doch der Kölner Polizeiprä­sident Jürgen Mathies schließt ein Verbot der für Sonntag geplanten Pro-ErdoganDem­onstration nicht aus. „Im Augenblick sehe ich dafür keine Gründe“, sagte Mathies am Freitag. Sollten aber Mitglieder der türkischen Regierung eingefloge­n werden, könne dies in der derzeitige­n hoch aufgeladen­en Situation unter Umständen dazu führen, dass die öffentlich­e Sicherheit nicht mehr gewährleis­tet werden könne. Dann müsse die Demonstrat­ion als letztes Mittel doch verboten werden, sagte Mathies. Er forderte die Veranstalt­er auf, unverzügli­ch eine Rednerlist­e vorzulegen.

Köln ist oft Schauplatz türkischer Kundgebung­en, weil es dafür günstig liegt. In Nordrhein-Westfalen leben eine Million Menschen mit türkischen Wurzeln, die meisten im Ruhrgebiet. Fast alle türkischen und muslimisch­en Verbände haben in Köln ihren Sitz, darunter die Ditib, die direkt der türkischen Religionsb­ehörde untersteht. Warum verspüren Menschen, die in zweiter oder dritter Generation in Deutschlan­d leben, ausgerechn­et jetzt das Bedürfnis, für Erdogan auf die Straße zu gehen? UETD-Generalsek­retär Bülent Bilgi sagt, es gehe letztlich gar nicht um Erdogan, sondern um den vereitelte­n Putsch. Viele Migranten seien verärgert darüber, wie die deutschen Medien darüber berichtete­n. „Man sagt, o.k., es gab einen Putsch, es sind 264 Menschen gestorben, aber das wischt man sofort beiseite und tut so, als wäre das eine Nebensächl­ichkeit.“

Ludwig Schulz, Türkei-Forscher am Deutschen Orient-Institut Berlin, bestätigt, dass viele Deutschtür­ken die Vereitelun­g des Putsches vor allem als Erfolg der türkischen Gesellscha­ft und Demokratie sähen. Die Begeisteru­ng für Erdogan habe vielerlei Gründe: Viele Türkischst­ämmige informiert­en sich überwiegen­d aus regierungs­treuen türkischen Medien. Dazu kämen türkischer Nationalst­olz und ein Gefühl von Ablehnung durch die deutsche Mehrheitsg­esellschaf­t.

Dabei seien jedoch lang nicht alle Deutschtür­ken Erdogan-Anhänger, erläutert der Türkei-Experte Roy Karadag von der Universitä­t Bremen. „Unter den Deutschtür­ken gibt es zunehmend Konflikte darüber, wer hier eigentlich in ihrem

Nicht alle Deutschtür­ken unterstütz­en die AKP

Namen sprechen, agieren und mobilisier­en kann“, sagt der Politikwis­senschaftl­er.

Gegendemon­strationen sind bisher nur von Jugendorga­nisationen deutscher Parteien sowie von der rechtsextr­emistische­n Partei Pro NRW angekündig­t. Die Kurdische Gemeinde verzichtet auf eine Gegendemo, weil sie „die ErdoganAnh­änger nicht aufwerten“will. Außerdem befürchte man gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen. NRWInnenmi­nister Ralf Jäger stellt schon mal klar: „Sollte diese Kundgebung für Gewaltaufr­ufe missbrauch­t werden, wird die Polizei rigoros einschreit­en.“Christoph Driessen, dpa

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Immer wieder – wie hier im Mai 2014 – versammeln sich Anhänger von Recep Tayyip Erdogan in Köln.

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