Die Wunden heilen nur langsam
Erinnerungen an die Münchner Schreckensnacht sind frisch
München Der Amokläufer von München hat neun Menschen erschossen – und eine ganze Stadt ins Mark getroffen. Eine Woche später kehrt allmählich Normalität ein. Doch die Erinnerungen an die Schreckensnacht sind noch zu frisch.
Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) „Ich hatte noch nie über den Tod nachgedacht. Jetzt war er Zentimeter von mir entfernt“, sagt Saysha. Das geht ihr noch immer durch den Kopf. Die 26-Jährige hat einen kleinen Laden im unteren Teil des OEZ und verkauft aufklebbaren Schmuck. Dass etwas nicht stimmt, merkt sie am Freitag, als Menschen die Rolltreppe herunter stürmen. Sie verlässt ihren Stand, was sie sonst nie lange tut. Und hört Schüsse. Heute arbeitet sie wieder, aber sie ist ängstlicher geworden – immer dann, wenn sie alleine irgendwo ist. Das Smartphone hält sie fest umklammert. „Erst wenn man zur Ruhe kommt, checkt man richtig, was los ist“, sagt sie.
Stachus Am Stachus, mitten in der Stadt, laufen an jenem Abend Menschen wie um ihr Leben. Zeitweise ist von mehreren Tätern die Rede. München, die Stadt, die meist so geordnet wirkt, verfällt vielerorts in Panik. Heike Ordelheide verkauft an einem Stand Obst, als sie Menschen rennen sieht. „Die riefen ,Terror!‘“, sagt die Verkäuferin. Sie hält die Gruppe erst mal für verwirrt. Nach der Arbeit ist sie in einem Restaurant verabredet. Bis dahin kommt sie, dann aber nicht mehr weg. Die Türen werden verrammelt, die Gäste von den Fenstern weggeholt. Draußen sieht sie Menschen in Panik vorbeirennen. „Meine Kinder haben mich angerufen und zu weinen angefangen. Aber mir ging es ja gut“, sagt die 59-Jährige. Ordelheide hat die Nacht ganz gut weggesteckt. Sie sei kein ängstlicher Typ.
Hofbräuhaus Wenn Werner Posselt über den Freitag redet, spricht er von einer „Welle“. Er arbeitet im Hofbräuhaus. Posselt steht im vorderen Teil, als er Menschen auf sich zurennen sieht – vom Haupteingang ins Innere. Warum, weiß er nicht. „Aber dann rennst du auch erst mal, da denkst du an nichts“, sagt er. Auch das Hofbräuhaus, Synonym für bayrische Gemütlichkeit, wird an diesem Abend von dem Panik-Virus infiziert. Am Ende stellt sich heraus: Es gibt dafür keinen Grund. Doch Posselt macht bis heute der Gedanke zu schaffen, wie schnell eine Stadt in den Ausnahmezustand verfallen kann. (dpa)