Deutschland ohne Schweinsteiger
Der 31-jährige Weltmeister hat seinen Rücktritt von der Nationalmannschaft erklärt. Sein Vertrag bei Manchester United läuft noch bis 2018. Seine Zukunft dort aber sieht düster aus
Augsburg Am Ende bleiben die Bilder. Wenn die Karriere zu Ende ist, die Zahlen als Wegmarken vergessen sind und die Pokale im Keller verstauben, gibt es noch immer die Bilder in den Köpfen. Franz Beckenbauer im WM-Halbfinale 1970 gegen Italien. Den Arm in der Schlinge. Ein kaiserlicher Feldherr in einem der größten deutschen Fußball-Dramen. Bastian Schweinsteiger hinterlässt ähnliche Bilder, nun, da er gestern seinen Rücktritt von der Nationalmannschaft erklärt hat. Sie zeigen ihn im WM-Finale 2014 gegen Argentinien. Weniger als Feldherrn, eher als geschundenen Krieger.
Blutverschmiert, mit einem Cut unter dem Auge. Am Ende eines 120-Minuten-Finales, das Deutschland in Brasilien den WM-Triumph bescherte. Der damals 29-Jährige war verletzt nach Südamerika gekommen, hatte sich in die Mannschaft zurückgekämpft und dem Finale hingebungsvoll seinen Stempel aufgedrückt. Eine Geschichte, die typisch ist für die Karriere von Bastian Schweinsteiger. Was die Nationalmannschaft betrifft, wird sie sich nicht wiederholen. Nach 120 Länderspielen und 24 Toren hat der 31-Jährige das Kapitel von sich aus geschlossen. Seine Bilanz, die er als Führungsspieler selbst entscheidend mitgeprägt hat, ist beeindruckend: WM-Dritter 2006 in Deutschland und 2010 in Südafrika, EM-Zweiter 2008, Weltmeister 2014. „Mit dem Gewinn des Weltmeistertitels 2014 ist uns historisch und auch emotional etwas gelungen, was sich in meiner Karriere nicht mehr wiederholen lässt. Deshalb ist es richtig, nun Schluss zu machen und der Mannschaft für die Qualifikation und die WM 2018 das Allerbeste zu wünschen“, erklärte Schweinsteiger gestern.
Sein Handspiel in der Partie gegen Frankreich hatten den Traum vom Europameistertitel beendet. „Aber Niederlagen gehören dazu, auch wenn sie schmerzen. Es sollte nicht sein. Ich muss es akzeptieren“, sagte der scheidende Kapitän. Unmittelbar nach dem EM-Aus vor 22 Tagen in Frankreich hatte der Routinier noch gezögert. 2018 in Russland den WM-Titel zu verteidigen, schien verlockend. Gleichzeitig warnten ihn Mittelfeld-Vorgänger wie Günter Netzer („Man darf es mit dem Karriere-Ende nicht übertreiben“) oder Michael Ballack, den Zeitpunkt zum Abgang nicht zu verpassen. Eher unwahrscheinlich, dass ihn die Mahnungen zum Rücktritt bewogen haben. Schweinsteiger war immer ein Dickkopf, der allzu eindringlichen Empfehlungen mit bayerischer Sturheit begegnet ist und dann Ärmel hochgekrempelt hat. Dass es dieses Mal anders kam, mag mit den schwer zu ergründenden Folgen seiner Hochzeit mit der Tennisspielerin Ana Ivanovic zusammenhängen. Mehr wahrscheinlich noch mit dem, was die letzte Etappe seiner großen Karriere für ihn vorsehen könnte. Der Wechsel nach 17 Jahren beim FC Bayern, wo die Konkurrenz für ihn groß geworden war, zu Manchester United, geriet zum Rückschritt.
Schweinsteiger war ständig verletzt, spielte kaum (18 Einsätze, ein Tor). Wenn doch, dann selten überzeugend. Nun hat sich die Lage für den bald 32-Jährigen trotz seines bis 2018 laufenden Vertrages weiter verschlechtert. José Mourinho hat Louis van Gaal als Trainer abgelöst. Der Holländer aber war es, der Schweinsteiger in Manchester haben wollte. Die englische Daily Mail berichtet, Mourinho habe Schweinsteiger bereits aussortiert. Das nächste Ende? Eine Traumvorlage für den Dickkopf, mal wieder das Gegenteil zu beweisen. (mit dpa)