Griff nach den Sternen
Die Galerie Noah versammelt Beispiele der Kunst-Prinzipien des großen deutschen Malers Gerhard Richter. Darunter befindet sich auch das teuerste von ihr jemals angebotene Gemälde
Dieser Name zieht. Bei denen, die die Kunst lieben und ehrlich danach fahnden. Aber leider auch bei denen, die mit der Kunst spekulieren und auf hohe Gewinne setzen.
Der 1932 bei Dresden geborene Gerhard Richter ist wohl immer noch der weltweit meist respektierte lebende Künstler, auf jeden Fall ist er der ästhetisch einflussreichste – und zwar auf Heerscharen von Kollegen, die nach ihm sein Mal-Handwerk ergriffen. Kann man bei jeder großen Kunstmesse nachprüfen.
Nun hat die Augsburger Galerie Noah nach den Sternen gegriffen – und kann den 84-jährigen WahlKölner mit gut 30 Arbeiten aus den Händen von acht Privatsammlern und aus dem Bestand der Berliner Galerie Michael Schultz präsentieren. Die allermeisten davon sind käuflich, wenn auch nicht aus der Portokasse bezahlbar – dazu später mehr. Erst einmal sollte der Rang der Ausstellung einigermaßen geklärt sein.
Wie zu erwarten war, wird bei diesem Sternen-Griff keine der großen Richter-Ikonen gezeigt, also keine der großen, verwischten, fotorealistischen Malereien in Öl ab den 60er-Jahren, keine der großen, farbrauschenden Abstraktionen ab den 80er-Jahren. Aber die Schau ist gewiss auch kein Sammelsurium von
Die Schau zeigt Richters Werk-Prinzipien
„Verfügungsmasse“in Sachen Gerhard Richter, vergleichbar dem zufälligen Angebot eines Auktionshauses. Stattdessen setzt sie geordnet Schwerpunkte: graue Bilder (linker Hand), Zufalls-Farbprobenmalerei in Editionsausgaben (rechter Hand), kleine bis mittlere Abstraktionen in der Hauptsichtachse.
Und vor allem: Sie versammelt einige der Prinzipien, die den oberund unterirdisch verzweigten Kunstkosmos Gerhard Richters ausmachen. Eben die Farbe Grau, die nicht nur, aber auch für eine künstlerisch schwierige Phase im OEuvre steht, eben den gesteuert eingesetzten Zufall im Entstehungsprozess, dazu NS-Motive („Onkel Rudi“als Cibachrome-Fotografie des berühmten Gemäldes sowie „Herr Heyde“als Offsetdruck), schließlich auch eine Reihe von Arbeiten, die als Erkundungsgänge, Prozessstationen auf dem Weg zur Vervollkommnung eines Werkkreises zu betrachten sind.
Beispiele: Von 1981 hängen zwei abstrakte Bilder, die lehrreich den gestisch-rüden Start in die noch an Raum und Landschaft gemahnenden, frühen Abstraktionen dokumentieren, und von 1992 hängen zwei kleinere Ölarbeiten, in denen Richter den rasterbildenden Einzug von Senkrechte und Waagerechte in seine abstrakten Welten prüft. Mancher schätzt den frühen visionären Entwicklungsschritt auf unbekanntes Terrain mehr als die möglicherweise kühl-perfekte Vollendung . . .
Höhepunkte der Schau sind die flächig in Gelb bzw. Grau übermalten Abstraktionen von 1994 und 2001 (wobei wir der den Vorzug geben würden, auf der der Hintergrund deutlicher durchschimmert). Höhepunkte sind auch Richters berühmtes Memento-mori-Motiv der Kerze (mit quer darüber gelegter Signatur, Auflage: 250), die FAZÜbermalungen (wobei auf einer davon deutlich die Hand des Künstlers zu sehen ist) sowie die kleinen, auf einer Wand versammelten abstrak- ten Bilder mit typisch fließendem Farb-Changieren, Farbverlauf. Das erinnert betörend an die Maserungen von geschnittenem Halbedelstein. Schließlich beeindruckt stark auch die Verweigerungshaltung des schimmernden Grau-Bilds aus dem Jahr 2000.
Wer etwas sucht, das mit Augsburg in Verbindung steht, sei auf die Editionsarbeit „Graphit“(2005) verwiesen. Das Motiv, Kohlenstoffatome von Graphit, basiert auf einer Aufnahme des Augsburger Uni-Instituts für Experimentalphysik.
Kommen wir zur Preisfrage. In der Ausstellung hängt das teuerste aller Bilder, die die Galerie Noah jemals im Angebot hatte: Es kostet 2,5 Millionen Euro. Am anderen Ende der Skala sind wiederum sechs kanarische Landschaften als Heliogravüren in Grüngrau für 16000 Euro zu haben (1971, Auflage: 50). Sie gehen auf sechs Fotos von Richter zurück.
Emanzipierte Kunstkäufer stellen natürlich immer Preisvergleiche an, und dies ist im Falle des Kapriolen schlagenden Kunstmarkts sowieso angebracht. In den letzten zwei Jahren tauchten auf dem Auktionsmarkt beispielsweise lizenzierte Drucke aus der Fondation Beyeler in Riehen auf (Auflage: 500!), mit denen ganz besonders Clevere versuchten, Reibach zu machen.
Um nicht missverstanden zu werden: Von diesen Reproduktionen wird in der Galerie Noah nichts angeboten. In der vom Atelier Richter autorisierten Ausstellung sind aber sehr wohl solche Exemplare von offiziellen Editionen Richters zu sehen, die – weil eine Idee von ihm durchvariiert wird – sogar Unikatscharakter tragen.
Ausstellungsdauer bis 18. September, geöffnet dienstags bis donnerstags von 11 bis 15 Uhr, freitags bis sonntags sowie feiertags von 11 bis 18 Uhr