In sieben Minuten predigen
Fast ein Patt beim Slam in der Mühle
Es geht um nichts weniger als die Heilige Schrift. Und das unter Wettbewerbsbedingungen: Sieben Minuten im Scheinwerferlicht der Kresslesmühle zwingen die Teilnehmer des Predigtslams „Fürchtet euch nicht!“im Vorfeld des Friedensfestes zu Konzentration und Präzision. Den Gewinnern winken ein Publikumsund ein Jurypreis. Die Predigten sind vorbereitet und werden mehr oder weniger frei vorgetragen. Einzige Unbekannte ist das Publikum. Das mochte sich am Ende nicht entscheiden. Auch im zweiten Applausdurchgang verteilte es die Zustimmung gleichmäßig auf alle sechs Teilnehmer.
Zwei Texte hatten es den Teilnehmern angetan: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen“und der BeinahTod des „kleingläubigen“Jüngers Petrus, der Jesus auf das Wasser folgte, ihm aber nicht traute und unterging. Je zwei Wettbewerber interpretierten diese Überlieferungen. Marion Buk-Kluger, Moderatorin und Journalistin, stellt ihre eigene Zaghaftigkeit in den Fokus. Als nebenan eine Flüchtlingsunterkunft eröffnete. Doch sie ging in die Offensive, gab Deutschkurse, sammelte Kleider. Die Unsicherheit meldete sich zurück, als die Herkunft der
Gepredigt wird auch über die Wut
Attentäter in Frankreich und Deutschland bekannt wurde. Nur Selbstdisziplin und Verzeihen führen zur Sanftmut, so ihre Message.
Dass die Tugend eingeübt werden muss, verkündete der Sportwissenschaftler Martin Scholz. Er kann die Empörung über Schlagzeilen nachvollziehen, den Zorn über die Gleichgültigkeit gegenüber Krieg und Tod. „Die Wut braucht ein Ventil“, erklärt er, und sei es die Perspektive auf die Jungfrauen im Paradies. Doch Gott hat statt Superman einen sanftmütigen Jesus im Angebot. Einen, der nicht zuschlägt. Eindringlich fordert Scholz, Sanftmut und eine verbale Abrüstung auf allen Seiten.
Rhetorisch geschickt und mit Bezug zu den Umbrüchen vor unserer Haustür räsonierten der Buchhändler Kurt Idrizovic und der Architekt Thomas Weil über die Wasser-Geschichte und der Journalist Jürgen Kannler über die Beweggründe des alttestamentarischen Frontmannes Moses. Die feministische, zum Protestantismus konvertierte Theologin Irene Löffler sorgte für einen emotionalen Höhepunkt und ein öffentliches Comingout. Wie Jakob, der von Gott seine Berufung erhielt, sei auch sie befähigt, Gott zu dienen. Trotz ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung. Beides hatte an ihrem kirchlichen Arbeitsplatz im Ordinariat München für einen langen Leidensweg gesorgt. „Ich habe überlebt“, sagt sie.
Drei Applausdurchgänge brauchte es, bis das Publikum sich für Martin Scholz entschieden hatte. Auch die Jury krönte den Unidozenten: „Sprachlich, stimmlich und inhaltlich überzeugend“, erklärten die vier Theologen einhellig.