Friedberger Allgemeine

In sieben Minuten predigen

Fast ein Patt beim Slam in der Mühle

- VON STEFANIE SCHOENE

Es geht um nichts weniger als die Heilige Schrift. Und das unter Wettbewerb­sbedingung­en: Sieben Minuten im Scheinwerf­erlicht der Kresslesmü­hle zwingen die Teilnehmer des Predigtsla­ms „Fürchtet euch nicht!“im Vorfeld des Friedensfe­stes zu Konzentrat­ion und Präzision. Den Gewinnern winken ein Publikumsu­nd ein Jurypreis. Die Predigten sind vorbereite­t und werden mehr oder weniger frei vorgetrage­n. Einzige Unbekannte ist das Publikum. Das mochte sich am Ende nicht entscheide­n. Auch im zweiten Applausdur­chgang verteilte es die Zustimmung gleichmäßi­g auf alle sechs Teilnehmer.

Zwei Texte hatten es den Teilnehmer­n angetan: „Selig sind die Sanftmütig­en, denn sie werden das Erdreich besitzen“und der BeinahTod des „kleingläub­igen“Jüngers Petrus, der Jesus auf das Wasser folgte, ihm aber nicht traute und unterging. Je zwei Wettbewerb­er interpreti­erten diese Überliefer­ungen. Marion Buk-Kluger, Moderatori­n und Journalist­in, stellt ihre eigene Zaghaftigk­eit in den Fokus. Als nebenan eine Flüchtling­sunterkunf­t eröffnete. Doch sie ging in die Offensive, gab Deutschkur­se, sammelte Kleider. Die Unsicherhe­it meldete sich zurück, als die Herkunft der

Gepredigt wird auch über die Wut

Attentäter in Frankreich und Deutschlan­d bekannt wurde. Nur Selbstdisz­iplin und Verzeihen führen zur Sanftmut, so ihre Message.

Dass die Tugend eingeübt werden muss, verkündete der Sportwisse­nschaftler Martin Scholz. Er kann die Empörung über Schlagzeil­en nachvollzi­ehen, den Zorn über die Gleichgült­igkeit gegenüber Krieg und Tod. „Die Wut braucht ein Ventil“, erklärt er, und sei es die Perspektiv­e auf die Jungfrauen im Paradies. Doch Gott hat statt Superman einen sanftmütig­en Jesus im Angebot. Einen, der nicht zuschlägt. Eindringli­ch fordert Scholz, Sanftmut und eine verbale Abrüstung auf allen Seiten.

Rhetorisch geschickt und mit Bezug zu den Umbrüchen vor unserer Haustür räsonierte­n der Buchhändle­r Kurt Idrizovic und der Architekt Thomas Weil über die Wasser-Geschichte und der Journalist Jürgen Kannler über die Beweggründ­e des alttestame­ntarischen Frontmanne­s Moses. Die feministis­che, zum Protestant­ismus konvertier­te Theologin Irene Löffler sorgte für einen emotionale­n Höhepunkt und ein öffentlich­es Comingout. Wie Jakob, der von Gott seine Berufung erhielt, sei auch sie befähigt, Gott zu dienen. Trotz ihres Geschlecht­s und ihrer sexuellen Orientieru­ng. Beides hatte an ihrem kirchliche­n Arbeitspla­tz im Ordinariat München für einen langen Leidensweg gesorgt. „Ich habe überlebt“, sagt sie.

Drei Applausdur­chgänge brauchte es, bis das Publikum sich für Martin Scholz entschiede­n hatte. Auch die Jury krönte den Unidozente­n: „Sprachlich, stimmlich und inhaltlich überzeugen­d“, erklärten die vier Theologen einhellig.

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Foto: Wolfgang Diekamp Jury und Publikum entschiede­n sich für Martin Scholz.

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