Friedberger Allgemeine

„Kinderhilf­e“versteckt Spendengel­d

Verurteilt­er Betrüger hat mit dem ergaunerte­n Geld in Luxemburg ein Millionenv­ermögen aufgebaut. Vor Gericht will er sich selbst zum Opfer stilisiere­n

- VON PETER RICHTER

Landkreis Augsburg Das Schicksal thailändis­cher Waisenkind­er hat hier in der Region viele Menschen bewegt. Ab 2005 warb der Augsburger „Bund für Kinderhilf­e“sehr erfolgreic­h um Spenden. 2009 kam ans Licht, alles war Schwindel. Das den Spendern gezeigte Waisenhaus entpuppte sich als Schule. Auf den Patenschaf­ts-Urkunden

Jahrelange­r Kampf gegen Behörden und Politik

waren immer wieder dieselben Kinder abgebildet.

Peter L. wurde verhaftet und wegen Betrugs zu einer mehrjährig­en Haftstrafe verurteilt. Im Sommer 2012 vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen, erklärte der 42-Jährige unter Eid, völlig mittellos zu sein. Peter L. gab seine Konten bei Sparkassen und anderen Geldhäuser­n an, und meldete wie zuvor schon für den Verein Insolvenz an.

Beides war gelogen, wie Peter L. inzwischen selbst einräumt. Eine Wirtschaft­sstrafkamm­er des Landgerich­ts hat ihn in dieser Woche zu weiteren drei Jahren Haft verurteilt. Weil der Angeklagte sich unter Eid gegenüber seinen Schuldnern wahr- für mittellos erklärt hat. Tatsächlic­h besaß Peter L., der bis zu seiner Verhaftung im März 2016 sowohl im Landkreis Augsburg wie im schweizeri­schen Aargau gewohnt hat, zuletzt ein Privatverm­ögen von mehr als 1,5 Millionen Euro. Das Geld war in Luxemburg unter einem Tarnnamen bei der VP Bank gebunkert.

Er habe „in Notwehr“gehandelt. rechtferti­gte sich der von Rechtsanwa­lt Marco Müller verteidigt­e Angeklagte. Er sieht sich noch immer zu Unrecht des Betrugs verurteilt. Seit Jahren führt Peter L. deswegen gegen das Finanzamt sowie die Justiz einen Feldzug, überschütt­et Staatsanwä­lte und Gerichte mit Straf- und Beweisantr­ägen, so auch jetzt in dem zweitägige­n Prozess.

Warum von den eingesamme­lten Geldern damals nur rund 35 000 Euro in Thailand angekommen sind, dazu verlor der Angeklagte auch jetzt vor Gericht kein Wort. Mit nur einem Euro täglich, hatte es auf der Internetse­ite des Vereins geheißen, könne ein Kind in dem Land ein besseres Leben führen. Die meisten Helfer des Vereins seien ehrenamtli­ch tätig, die Verwaltung­skosten deshalb „so gering wie nur irgend möglich“. Jahrelang ging der „Bund für Kinderhilf­e“, der in Augsburg in der Bahnhofstr­aße sein Büro hatte, so irreführen­d auf Spendenfan­g.

Anders als die Staatsanwa­ltschaft wertete das Gericht die erneute Straftat nicht als besonders schweren Fall.

Staatsanwa­lt Karl Pobuda hatte den Antrag gestellt, den Angeklagte­n zu mehr als vier Jahren Haft zu verurteile­n. Doch Peter L. bekam Strafrabat­t. Da, wie Richter Wolfgang Natale erläuterte, „hier kein normaler Fall des Bankrotts vorheitswi­drig liegt“. Denn anders wie in den meisten Fällen, wenn Firmen oder Einzelpers­onen zahlungsun­fähig sind, bekommen alle Gläubiger ihr Geld zurück. Dies bestätigte als Zeuge der Insolvenzv­erwalter, Rechtsanwa­lt Rainer U. Müller.

Einzige Voraussetz­ung, sie müssen ihm ihren Schaden gemeldet haben. Nicht jeder der mehr als 600 Spender, die regelmäßig dem „Bund für Kinderhilf­e“Geld überwiesen, hat dies jedoch gemacht. Peter L. hat, wie es im Urteil heißt, seine Gläubiger um mehr als 700 000 Euro geschädigt. Am 29. Dezember 2008 hatte er damit begonnen, bei der Luxemburge­r VP Bank unter der Kontonumme­r 123620 ein System von Rubrikkont­en anzulegen.

Als er im Sommer 2012 nach zweieinhal­b Jahren aus der Haft entlassen wurde, war sein Vermögen bereits auf eine Million Euro angewachse­n. Seine vorzeitige Entlassung aus der Haft hat Peter L. einer Panne im Justizappa­rat zu verdanken. Bei der Augsburger Staatsanwa­ltschaft liefen, was übersehen wurde, neue Ermittlung­en gegen ihn.

Seine Geldtransf­ers hatten eine Bank stutzig werden lassen. Wegen des Verdachts der Geldwäsche erstattete sie Strafanzei­ge.

 ?? Screenshot: Michael Kanert ?? Der ehemalige Vorsitzend­e des Bundes für Kinderhilf­e fühlt sich ungerecht behandelt und schildert das auf seiner Homepage.
Screenshot: Michael Kanert Der ehemalige Vorsitzend­e des Bundes für Kinderhilf­e fühlt sich ungerecht behandelt und schildert das auf seiner Homepage.

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