Die Wanderjahre haben begonnen
Das Theater ist ab September an acht Orten zu Hause. Das wird die Kulturszene verändern. Manchen macht das Angst, andere freuen sich
Das Große Haus ist mit rot-weißen Absperrbändern eingewickelt, auf dem Dach der Schwabenhalle sitzt eine Sängerin mit theatralisch ausgebreiteten Armen, ein Herr mit Hut steht auf gepackten Koffern: Das Theater geht ab September auf Wanderschaft. Auf seinem neuen Spielzeitplakat greift es die Situation mit viel Humor auf. Ein Schuss Humor, viel Kreativität und Professionalität sind vielleicht auch die einzige Möglichkeit, den Weg durchs Chaos zu finden.
Die Mitarbeiter mussten das Große Haus von einem Tag auf den anderen verlassen, ohne zu wissen, wo sie die nächste Saison verbringen. Inzwischen sind Lösungen gefunden: Bis Januar wird das Theater an acht (!) Orten in Augsburg und Gersthofen inszenieren. Doch obwohl Intendanz und Stadt
Fürs Ensemble besteht kein Grund zur Euphorie
froh sind, dass diese Frage geklärt ist, besteht kein Grund zur Euphorie: Für das Dreispartenhaus sind alle neuen Spielstätten Notlösungen, an die der komplexe Ablauf eines Theaterbetriebs angepasst werden muss. Dieser Herausforderung wird das Team sich für mindestens sechs Jahre stellen müssen. Sollte das Bürgerbegehren gegen die Sanierung Erfolg haben, verlängert sich die Zeit der Wanderschaft.
Die Auswahl der Ersatzspielstätten sorgte für heftige Debatten. Geprägt sind sie von Ängsten: Freie Agenturen fürchten, sie werden im Kongress und auf der Messe keine Termine mehr bekommen, weil die fürs Theater freigehalten werden. Handel und Gastronomie sind besorgt, dass ihre Einnahmen zurückgehen, weil weniger Tagungen am Wittelsbacher Park auch weniger Touristen bedeuten. Dies alles sind nachvollziehbare Bedenken. Dennoch muss eines gesagt sein: Das Theater richtet sich nicht genüsslich in den Hallen dieser Stadt ein. Es versucht nicht, sich eine kulturelle Vorrangstellung zu „ergaunern“. Es bemüht sich mit Hochdruck, einen Betrieb, an dem 370 Mitarbeiter, 7000 Abonnenten und bis zu 250 000 Besucher pro Saison hängen, aufrechtzuerhalten. Auch der Intendanz wäre es sicherlich lieber gewesen, auf einen einzigen Ort ausweichen zu können, einen, aus dem noch dazu niemand verdrängt wird. Die Sporthalle am Wittelsbacher Park hätte ein solcher Ort sein können, gäbe es da nicht ein Problem: Sie ist selbst baufällig und nur noch für Veranstaltungen mit bis zu 200 Besuchern zugelassen.
Tatsächlich gibt es in Augsburg damit nur noch zwei Hallen, die ähnliche Kapazitäten wie das Große Haus (1000 Plätze) haben – den Kongress und die Messe. Dies sowie großer Zeitdruck führten zu der Auswahl an Ersatzorten, die die Stadtverwaltung nun festgelegt hat. Doch jeder weiß: Aus Not werden selten die besten Entscheidungen getroffen. Darum werden Fragen bleiben: Wäre es nicht besser gewesen, irgendwo ein Zelt aufzubauen und dort sechs Jahre lang Theater zu spielen? Das Dreispartenhaus wäre so nicht zu Wanderschaft verdonnert gewesen. Es wäre nicht der Eindruck entstanden, es verdränge andere Veranstalter. Und
Wäre ein Zelt nicht doch die bessere Lösung gewesen?