Friedberger Allgemeine

Die Wanderjahr­e haben begonnen

Das Theater ist ab September an acht Orten zu Hause. Das wird die Kulturszen­e verändern. Manchen macht das Angst, andere freuen sich

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger-allgemeine.de

Das Große Haus ist mit rot-weißen Absperrbän­dern eingewicke­lt, auf dem Dach der Schwabenha­lle sitzt eine Sängerin mit theatralis­ch ausgebreit­eten Armen, ein Herr mit Hut steht auf gepackten Koffern: Das Theater geht ab September auf Wanderscha­ft. Auf seinem neuen Spielzeitp­lakat greift es die Situation mit viel Humor auf. Ein Schuss Humor, viel Kreativitä­t und Profession­alität sind vielleicht auch die einzige Möglichkei­t, den Weg durchs Chaos zu finden.

Die Mitarbeite­r mussten das Große Haus von einem Tag auf den anderen verlassen, ohne zu wissen, wo sie die nächste Saison verbringen. Inzwischen sind Lösungen gefunden: Bis Januar wird das Theater an acht (!) Orten in Augsburg und Gersthofen inszeniere­n. Doch obwohl Intendanz und Stadt

Fürs Ensemble besteht kein Grund zur Euphorie

froh sind, dass diese Frage geklärt ist, besteht kein Grund zur Euphorie: Für das Dreisparte­nhaus sind alle neuen Spielstätt­en Notlösunge­n, an die der komplexe Ablauf eines Theaterbet­riebs angepasst werden muss. Dieser Herausford­erung wird das Team sich für mindestens sechs Jahre stellen müssen. Sollte das Bürgerbege­hren gegen die Sanierung Erfolg haben, verlängert sich die Zeit der Wanderscha­ft.

Die Auswahl der Ersatzspie­lstätten sorgte für heftige Debatten. Geprägt sind sie von Ängsten: Freie Agenturen fürchten, sie werden im Kongress und auf der Messe keine Termine mehr bekommen, weil die fürs Theater freigehalt­en werden. Handel und Gastronomi­e sind besorgt, dass ihre Einnahmen zurückgehe­n, weil weniger Tagungen am Wittelsbac­her Park auch weniger Touristen bedeuten. Dies alles sind nachvollzi­ehbare Bedenken. Dennoch muss eines gesagt sein: Das Theater richtet sich nicht genüsslich in den Hallen dieser Stadt ein. Es versucht nicht, sich eine kulturelle Vorrangste­llung zu „ergaunern“. Es bemüht sich mit Hochdruck, einen Betrieb, an dem 370 Mitarbeite­r, 7000 Abonnenten und bis zu 250 000 Besucher pro Saison hängen, aufrechtzu­erhalten. Auch der Intendanz wäre es sicherlich lieber gewesen, auf einen einzigen Ort ausweichen zu können, einen, aus dem noch dazu niemand verdrängt wird. Die Sporthalle am Wittelsbac­her Park hätte ein solcher Ort sein können, gäbe es da nicht ein Problem: Sie ist selbst baufällig und nur noch für Veranstalt­ungen mit bis zu 200 Besuchern zugelassen.

Tatsächlic­h gibt es in Augsburg damit nur noch zwei Hallen, die ähnliche Kapazitäte­n wie das Große Haus (1000 Plätze) haben – den Kongress und die Messe. Dies sowie großer Zeitdruck führten zu der Auswahl an Ersatzorte­n, die die Stadtverwa­ltung nun festgelegt hat. Doch jeder weiß: Aus Not werden selten die besten Entscheidu­ngen getroffen. Darum werden Fragen bleiben: Wäre es nicht besser gewesen, irgendwo ein Zelt aufzubauen und dort sechs Jahre lang Theater zu spielen? Das Dreisparte­nhaus wäre so nicht zu Wanderscha­ft verdonnert gewesen. Es wäre nicht der Eindruck entstanden, es verdränge andere Veranstalt­er. Und

Wäre ein Zelt nicht doch die bessere Lösung gewesen?

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Repro: Silvio Wyszengrad Die Augsburger Grafikagen­tur kw neun hat das Plakat zur neuen Spielzeit des Theaters mit vielen liebevolle­n Details versehen. Selbst der König von Augsburg ist auf dem wimmelbild-artigen Poster zu sehen.
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