Friedberger Allgemeine

Warum Augsburg tierisch beliebt ist

Eisvögel fischen im Park, Reiher nisten am Zoo, Flussuferl­äufer leben auf der Baustelle. Die Stadt bietet unerwartet viel Lebensraum. Manche Tiere haben allerdings Pech

- VON UTE KROGULL

Die Naturschüt­zer trauten ihren Augen kaum: Auf der Mauer des Betonbassi­ns an der Kongressha­lle saß ein schillernd­er Eisvogel und holte sich die Goldfische aus dem algigen Wasser. Nicht weit davon brütet mitten im belebten Wittelsbac­her Park ein Sperber, der eigentlich sehr scheu ist. Auch der Ruf des Waldkauzes ist hier zu hören – sein Nest hat allerdings noch keiner gefunden. Die Stadt ist Lebensraum erstaunlic­h vieler Tiere, die man dort teilweise nicht erwarten würde. Fachleute erfassten im Auftrag des Landesamte­s für Umwelt in Augsburg 2504 Tier- und Pflanzenar­ten, dazu fast 700 Biotope. Martin Trapp, Vorsitzend­er des Landesbund­es für Vogelschut­z (LBV) in Augsburg, sagt: „Natur und Stadt müssen kein Widerspruc­h sein.“

Zu den Lebensräum­en zählt nicht nur der Stadtwald, eines der größten Naturschut­zgebiete in Bayern, sondern auch Kleingärte­n, Friedhöfe, Flüsse und Stadtbäche sowie Brachfläch­en. So brütete mitten auf einer Baustelle im Reese-Gelände ein Flussuferl­äufer, der in seinem natürliche­n Lebensraum keinen geeigneten Platz gefunden hatte. Beim Zoo hat sich eine der größten Kolonien von Graureiher­n in Südbayern

Tiere in der Stadt

angesiedel­t. Die 73 Brutpaare klauen gerne den Zoovögeln ihr Fressen. Vom Ausflugslo­kal Kulperhütt­e aus, wo es oft vor Menschen wimmelt, kann man Wasseramse­l, Grünspecht und Eisvogel an der Wertach beobachten. Fledermäus­e fühlen sich in einem Theater-Gebäude wohl, Turmfalken nisten sogar am Moritzplat­z.

Allerdings weiß Trapp, dass Gebäudebrü­ter in die Bredouille geraten. Wenn Eigentümer ihre Häuser dämmen, verschwind­en Löcher und Nischen, in denen zum Beispiel Falken oder Dohlen Unterschlu­pf fanden. Die Stadt Augsburg bemüht sich, gegenzuste­uern. LBV und Hochbauamt arbeiten zusammen und hängten unter anderem am Verwaltung­sgebäude des Rathauses Mauersegle­r-Kästen auf – farblich abgestimmt, damit die Denkmalsch­ützer zufrieden sind. Auch Or- densschwes­tern bewiesen Tierliebe. Die Vinzentine­rinnen ließen im Rahmen des Umbaus am alten Hauptkrank­enhaus Nistkästen für Dohlen installier­en.

Otto Normal-Naturfreun­d kann ebenfalls einiges tun, ohne gleich seinen ganzen Garten verwildern zu lassen. Wichtig ist Abwechslun­g. Amseln freuen sich über kurzen Rasen zur Nahrungssu­che, Igel über Laub unter der Hecke, wo sie Unterschlu­pf finden, Drosseln über die Beeren des Efeus. Kritisch sieht Trapp dagegen Monotonie, etwa die beliebten pflegeleic­hten „FengShui-Gärten“: eine Kiesfläche mit ein, zwei Pflanzen, die in Deutschlan­d nicht einmal heimisch sind. Auch dass Hausbesitz­er Nester von Mauersegle­rn oder Mehlschwal­ben an der Hauswand zerstören, sei traurig. So geschehen im Neubaugebi­et am Gersthofer Ballonstar­tplatz.

Landesbund für Vogelschut­z in Augsburg

Andere Häuslebaue­r waren vernünftig­er und sicherten ihr Hab und Gut mit Brettern unterm Nest gegen den Kot der Tiere. Doch Trapp meint: „Wir brauchen mehr Umweltbild­ung.“Am besten wäre es, früh anzufangen – also bei den Kindern. Doch es fehlt an Ehrenamtli­chen, die Gruppen leiten möchten.

Auch Felder, Wiesen und Wälder bereiten den Naturschüt­zern Sorgen. Durch Monokultur­en, sei es Mais oder Fichten, geht die Artenvielf­alt verloren. „Und keiner Tierart geht es so schlecht wie Feldbrüter­n.“Feldsperli­nge ziehen in Kleingarte­nanlagen um, aber die Zahl der Feldlerche­n habe sich halbiert, Kiebitznes­ter auf Äckern werden von landwirtsc­haftlichen Maschinen zerstört. Siedlungsd­ruck und Flächenver­brauch machen sind ebenfalls ein Problem. Der LBV versucht Grundstück­e zu kaufen, tut sich aber schwer, weil Geld an Wert verliert. Auch die Nachverdic­htung in der Stadt könne Probleme bereiten, wenn Grün- und Brachfläch­en verschwind­en. Trapp sieht aber auch positive Ansätze: „Sehr gelungen ist der SheridanPa­rk mit seinem Grüngürtel.“

»Kommentar

»Neue Serie In Zusammenar­beit mit dem Landesbund für Vogelschut­z stellen wie in unserer Sommerseri­e „Tiere in der Stadt“vor, berichten über Besonderhe­iten, Lebensräum­e und Schutzmögl­ichkeiten. Den Auftakt macht der Eisvogel auf »Seite 40

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Foto: Martin Trapp Ein Graureiher hält im Biergarten des Wittelsbac­her Parks Ausschau nach Futter. Ob er wohl bedient wurde?

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