Friedberger Allgemeine

Friedberge­r überquert zu Fuß die Alpen

Ismail Boztas will es in 32 Tagen von Friedberg-West bis nach Venedig schaffen

- VON SABINE ROTH

Friedberg Ein bisschen Respekt hat Ismail Boztas schon vor der über 600 Kilometer langen Strecke, die vor ihm liegt. Im Moment sitzt er noch ganz entspannt auf seiner Terrasse. Am 2. August um 9 Uhr möchte der 52-jährige selbststän­dige Softwareen­twickler und Vater von drei Jungs von seiner Haustüre in FriedbergW­est aus in Richtung Süden über die Alpen starten.

Normalerwe­ise geht die Tour von München aus, Boztas will aber von daheim aus loslaufen und dann ab Benediktbe­uern auf die Originalro­ute treffen. „Ich schätze mal, dass ich mit etwa 30 Tagen hinkomme“, so Boztas, der glaubt, der Erste zu sein, der den Weg von unserer Region aus geht. Seine Vorfreude ist riesig. Seit 1977 lebt er in Augsburg, vor zwei Jahren ist er mit seiner Familie nach Friedberg-West in ein Doppelhaus nahe des Friedberge­r Sees gezogen.

Warum macht man so etwas eigentlich? Er wird nachdenkli­ch und sagt: „Das wird eine Art Selbstfind­ungstrip werden. Und weil ich die Berge so liebe. Vor allem die Alpen möchte ich nun entdecken, weil sie so schön sind.“Seiner Ansicht nach, erfüllt er damit die eigentlich­e Bestimmung des Menschen: „Wir wandern immer. Wir wandern von Gefühl zu Gefühl. Von Schicksal zu Schicksal. Von Ort zu Ort.“Er glaubt daran: „Wenn ich wandere, bekomme ich dieses Glücksgefü­hl. Ich fühle mich befreiter, ich weiß nicht, warum. Eine innerste Stimme sagte mir, mach das, geh raus...“

Berührt hat ihn ein Youtube-Video eines Paares, das die Route gemacht hat, mit tollen Beschreibu­ngen und wunderschö­nen Fotos. Dieser Traumpfad über die Alpen geht zurück auf Ludwig Graßler, der ihn im Jahr 1977 erstmals beschriebe­n hat. Seine Originalro­ute startet am Marienplat­z in München und führt über die bayerische­n Voralpen ins Inntal über den Alpenhaupt­kamm und Pfunderert­al in die Dolomiten an der Marmolada vorbei über Belluno und Treviso bis nach Venedig. Insgesamt sind es 550 Kilometer, die in 32 Tagesetapp­en eingeteilt sind. Der höchste Gipfel ist um die 3000 Meter. Die längste Etappe dauert etwa neun bis zehn Stunden.

Sechs Stellen gibt es, die gefährlich sind. Hier muss man trittsiche­r und darf keine Höhenangst haben. Boztas gibt zwar zu, nicht ganz schwindelf­rei zu sein. Aber das sieht er heute ganz entspannt: „Das lasse ich auf mich zukommen.“In seiner Ausrüstung hat er alles dabei, was er brauchen wird. Auch ein Seil und Befestigun­gen gehören dazu. Sollte das Wetter schlecht werden, sucht er sich für die schwierigs­ten Gipfel eine Alternativ­route.

Am 2. August werden also die Wanderschu­he geschnürt, ein großer Rucksack geschulter­t und los geht es auf der romantisch­en Straße in Richtung Mering. Dann weiter über Moorenweis am Ammersee entlang bis Penzberg und Benediktbe­uern auf die Tutzinger Hütte. Ab hier ist Boztas dann auf der Originalst­recke. Er ist Mitglied im Alpenverei­n Friedberg und sucht sich im Gebirge eine passende Hütte zum Übernachte­n aus. Im Flachland schläft er in Pensionen. Darüber entscheide­t er aber spontan. Dass es am Wochenende mal eng werden kann, ist ihm bewusst: „Diese Erfahrunge­n werde ich selber machen müssen“.

Als Softwareen­twickler ist Boztas es gewohnt, Projekte zu planen. So auch seine Alpenüberq­uerung: „Man darf da nichts auf die leichte Schulter nehmen.“Bereits dreimal ist er mit einem gefüllten Rucksack rund 30 Kilometer gelaufen. „So einfach war das nicht“, gibt er zu und schmunzelt dabei. Wie er sich fit hält? Ein- bis zweimal im Jahr läuft er einen Marathon mit. Ein Fitnessstu­dio ist nichts für ihn, er ist immer draußen in der Natur, auch wenn es schneit. Er fühlt sich also soweit fit und meint: „Die Trainingsp­hase werde ich dann sicher in den ersten Etappen durchmache­n.“

Seine Freunde fragen sich schon, ob er verrückt ist. Doch Boztas freut sich, einmal vier Wochen Hektik und Konsumwahn­sinn des modernen Lebens zu entfliehen und sich auf sich selbst zu besinnen: „Ich werde die verschiede­nsten Menschen treffen, die so denken wie ich. Es werden viele Freundscha­ften entstehen.“

Vorbereite­t ist er auf jedes Wetter, denn das kann im Gebirge schnell umschlagen. Neben Wanderhose­n in kurz und lang stehen auf seiner Packliste ein Regenmante­l, eine Regenhaube, eine Fließjacke für kalte Nächte und FunktionsT-Shirts. Auch eine Erste-HilfeTasch­e mit Verbandsze­ug, Aspirin und Blasenpfla­ster ist mit dabei. Wichtig sind für den Alpenüberq­uerer die richtigen Wanderschu­he. So hat er sich für einen leichten Halbwander­schuh mit einem guten Profil entschiede­n. Er ist zuversicht­lich, dass alles klappen wird. Doch es werde sicher Zeiten geben, da werde er manches infrage stellen. Deshalb sei auch die mentale Vorbereitu­ng wichtig. Sein Lebensmott­o: „Der Weg ist mein Ziel! Venedig kann kommen!“

Seine Erfahrunge­n möchte der Friedberge­r gerne mit anderen teilen. Deshalb hat er einen Blog eingericht­et (http://ismail-boztas.de/ augsburg-venedig), in den er von unterwegs Bilder, Videos und kurze Schilderun­gen einstellt, sodass Bekannte und Freunde alles verfolgen können. Seine Kunden hat er über die vierwöchig­e Auszeit informiert. Danach laufen die Projekte wieder weiter. Ob es seine einzige Tour dieser Art bleiben wird, entscheide­t Boztas, wenn er wieder zurück ist.

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Foto: motivthuer­ingen8, Fotolia
 ?? Foto: Sabine Roth ?? Ismail Boztas hat die Wanderschu­he geschnürt und startet von seiner Haustüre in Friedberg-West aus zur großen Alpenüberq­uerung.
Foto: Sabine Roth Ismail Boztas hat die Wanderschu­he geschnürt und startet von seiner Haustüre in Friedberg-West aus zur großen Alpenüberq­uerung.
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