Friedberger Allgemeine

Tausende haben hier die Taufe erhalten

Vor rund 1000 Jahren entstand St. Johannes Baptist in Meringerze­ll. Einige seiner Geheimniss­e bei Renovierun­gen preisgegeb­en

- VON GÖNÜL FREY

Meringerze­ll Die kleine Kirche St. Johannes Baptist in Meringerze­ll hat seit Jahrhunder­ten keinen eigenen Pfarrer mehr. Doch der Sonntagsgo­ttesdienst ist Ehrensache. Dafür mussten die Meringerze­ller vor gar nicht so langer Zeit mit dem Herrendien­st ihren Beitrag leisten. Jedes Wochenende war ein anderer Dorfbewohn­er an der Reihe, der den Meringer Pfarrer mit der Kutsche oder in späteren Jahren mit dem Auto zur Messe abholte. Kirchenpfl­eger Michael Summer erinnert sich, wie er als Kind das lackierte Schild mit der Aufschrift „Herren holen“auf Geheiß des Vaters zum nächsten Haus trug.

Das genaue Baujahr der Kirche ist unbekannt, das Gemäuer selbst lässt aber Rückschlüs­se zu. Die Wände bestehen nämlich aus Tuffstein, der nach 1060 nicht mehr verwendet wurde. Damit ist St. Johannes Baptist auf alle Fälle eine der ältesten Kirchen im Landkreis AichachFri­edberg. Heimatfors­cher und Sachverstä­ndige fingen bei der vorletzten Renovierun­g 1984 an, sich näher mit den Ursprüngen zu befassen. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Gräfin Irmentrud von Luxemburg 1010 wohl Meringerze­ll als Mitgift in die Ehe mit Welf dem II. einbrachte. Dieser schenkte die an das Kloster Altomünste­r, dessen Förderer er war, und ließ – so zumindest die Vermutunge­n – die Kirche St. Johannes Baptist erbauen. Bei der Renovierun­g in den 80er-Jahren wurde eine Rarität zurück ans Licht befördert. Einen entscheide­nden Hinweis gab Leonhard Vötter, der gleichnami­ge Vater des heutigen Mesners. Er erinnerte sich, dass sein Großvater von einem großen Wandbild erzählt hatte. Der Restaurato­r trug stichprobe­nartig Schicht für Schicht den Putz ab und stieß auf ein großes Wandfresko an der Südseite. Es zeigt das Jüngste Gericht und stammt aus dem 13. oder 14. Jahrhunder­t. Ein Gemäldebru­chstück auf der Außenwand stellt einen Evangelist­en dar und lässt darauf schließen, dass die Kirche einst auch außen rundum bemalt gewesen ist.

Die Familie Vötter bewahrt ein Wissen über die Ortskirche, das in keinem Heimatbuch zu finden ist. Denn mit dem heutigen Mesner Leonhard Vötter befindet sich das Amt in der vierten Generation und seit mehr als 200 Jahren in der Familie. Aus dieser Quelle stammt auch eine geheimnisv­olle Geschichte, die man sich in Meringerze­ll noch immer erzählt. Unter dem Großvater des heutigen Mesners fand eine Umgestaltu­ng des Friedhofs statt. Die Gräber wurden anders ausgericht­et und überschüss­ige Erde – mit dem ein oder anderen nicht mehr zuordenbar­en Knöchelche­n – auf einen Acker gebracht. Wie erschraken die gläubigen Meringerze­ller, als sie nachts eine Reihe von Lichtern sa- hen, die sich die Straße entlang zur Kirche bewegten! Daraufhin stellten sie an dem Acker ein Kreuz auf – und seitdem herrscht wieder Ruhe.

Der Namenspatr­on der Kirche ist Johannes der Täufer. Auf dem Fresko ist der Heilige als Fürbitter beim jüngsten Gericht zu sehen. Passenderw­eise ist das kleine Gotteshaus wohl schon immer eine Taufkirche gewesen. „Tausende müssen im Laufe der Jahre hier die Taufe empfangen

Das gläserne Taufbecken mit farbiger LED-Beleuchtun­g macht den Epochen-Mix komplett

haben“, sagt Pfarrer Thomas Schwartz von der Pfarrei St. Michael in Mering, zu der auch St. Johannes Baptist gehört.

Der Seelsorger hat bei der jüngsten Restaurier­ung 2012 für das Taufbecken und den neuen Volksaltar aus Glas, gegossenem Messing und mit farbiger LED-Beleuchtun­g bewusst eine ganz moderne Gestaltung gewählt. Denn in dem Gotteshaus hat jede Epoche ihre Spuren hinterlass­en. Und doch fügt sich alles zu einem stimmigen Ganzen.

Der romanische Hauptraum erhielt im Laufe der Jahrhunder­te verschiede­ne An- und Umbauten. Zuletzt haben die Meringerze­ller 1954 die rückwärtig­e Wand abgebroche­n und den Kirchenrau­m verlängert, um Raum zu schaffen für vier oder fünf Flüchtling­sfamilien, die nach dem Krieg im Dorf eine neue Heimat fanden. Der neugotisch­e HochLänder­eien altar stammt aus dem Jahr 1880. Im 17. Jahrhunder­t wurde der romanische Hauptraum barockisie­rt. Aus dieser Zeit stammt der Stuck an der Decke, der erst bei der jüngsten Renovierun­g wieder richtig heraus gearbeitet wurde.

Kirchenpfl­eger Michael Summer und Leonhard Vötter sind im Dorf die ersten Ansprechpa­rtner, wenn es um die Kirche geht. Vötter hat das Mesneramt vor 28 Jahren von seinem Vater übernommen und bringt aus seiner vielseitig­en Berufslauf­bahn allerhand praktische Fähigkeite­n mit. Er jobbte als Bauhelfer, ist gelernter Kfz-Mechaniker und war später viele Jahre bei der Gemeinde Mering im Bauhof tätig. Kleinere Elektrorep­araturen im Gotteshaus erledigt er selbst und den Blumenschm­uck zieht er im eigenen Garten heran. Oft kann man ihn in der Kirche schon mit seinem dreijährig­en Enkel beobachten. Trotzdem sagt er: „Mit mir stirbt die Dynastie aus.“Denn im modernen Berufslebe­n sei dieses Ehrenamt nicht mehr nebenher zu bewältigen.

Dass St. Johannes Baptist voller Leben ist, hängt auch damit zusammen, dass hier noch regelmäßig Gottesdien­ste stattfinde­n. Jeden Samstag ist um 19 Uhr Vorabendme­sse. Thomas Schwartz verspricht: „Solange ich Pfarrer bin, wird Meringerze­ll immer einen Sonntagsgo­ttesdienst haben.“

Dafür müssen die Dorfbewohn­er heutzutage auch keinen Herrendien­st mehr leisten: Der Pfarrer fährt selbst im Mercedes zur Predigt vor.

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Fotos: Gönül Frey In dem kleinen Dorf Meringerze­ll verbirgt sich mit der Kirche St. Johannes Baptist ein echtes Schmuckstü­ck. Sie ist rund 1000 Jahre alt. Und auf sehr ansprechen­de Weise haben in dem kleinen Gottesdien­st die verschiede­nsten Stilepoche­n ihre Spuren...
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 ??  ?? Kirchenpfl­eger Michael Summer kümmert sich ums Beten und um die Moneten (oben). Eine besondere Rarität ist das große Wandfresko (rechts). Merings Pfarrer Thomas Schwartz erteilt am modernen Glasbecken die Taufe (Mitte).
Kirchenpfl­eger Michael Summer kümmert sich ums Beten und um die Moneten (oben). Eine besondere Rarität ist das große Wandfresko (rechts). Merings Pfarrer Thomas Schwartz erteilt am modernen Glasbecken die Taufe (Mitte).
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