Friedberger Allgemeine

Deutschlan­d sucht den Superpräsi­denten

Hintergrun­d Der Union soll er gefallen, der SPD und am besten auch noch den Grünen: Wer folgt auf Joachim Gauck?

- VON RUDI WAIS

Berlin Jetzt also auch noch Volker Bouffier. Wenn es stimmt, was die Bild-Zeitung berichtet, dann gehört inzwischen auch der hessische Ministerpr­äsident zum Kreis der möglichen Nachfolger von Bundespräs­ident Joachim Gauck – ein knorriger Konservati­ver, den bisher niemand auf der Rechnung hatte, für den aber vor allem eines spricht: Er regiert sein Heimatland seit zwei Jahren in erstaunlic­her Geräuschlo­sigkeit mit den Grünen. Und die könnten bei der Wahl im Februar das Zünglein an der Waage werden.

Sollte Bouffier tatsächlic­h entspreche­nde Ambitionen haben, dann sind die jüngsten Meldungen für ihn allerdings eher kontraprod­uktiv. Erfahrungs­gemäß rücken selten die Kandidaten ins höchste Staatsamt auf, deren Namen als erste fallen. Das würde in der aktuellen Diskussion auch für Bundestags­präsident Norbert Lammert gelten, dem große Ambitionen nachgesagt werden, den die SPD nach Informatio­nen unserer Zeitung aber auf keinen Fall mitwählen will. Das würde umgekehrt dann allerdings auch für den deutsch-iranischen Schriftste­ller Navid Kermani gelten, der im linken Lager und in der Hauptstadt­presse viele Fans hat. Dass Union und SPD sich ausgerechn­et im Wahljahr auf einen gemeinsame­n Kandidaten verständig­en können, gilt als eher unwahrsche­in- lich. Dazu sind vor allem bei den Sozialdemo­kraten die Fliehkräft­e viel zu groß.

An dieser Stelle kommen die Grünen ins Spiel. Sollten sie bei der Präsidente­nwahl gemeinsame Sache mit der Union machen und womöglich ihren Koalitions­partner Bouffier wählen, wäre das auch ein Indiz dafür, dass beide Seiten es nach der Bundestags­wahl gleich noch einmal mit einer schwarz-grünen Allianz versuchen wollen. Auf der anderen Seite würden die Grünen auch gebraucht, um einen linken Präsidente­n zu installier­en, ins Amt gehievt von einem bunten Quartett aus Sozialdemo­kraten, Linken, Grünen und Piraten. Grüne Pragmatike­r wie der badenwürtt­embergisch­e Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n, gelegentli­ch selbst schon als GauckNachf­olger gehandelt, halten dies jedoch für keine gute Idee. Schließlic­h ist die Partei gerade dabei, sich etwas von der SPD zu emanzipier­en. „Ich kann allen nur raten“, sagt Kretschman­n daher, „einen parteiüber­greifenden Konsens zu finden.“

Der Kandidat oder die Kandidatin, auf die sich konservati­ve Sozialdemo­kraten und Grüne gemeinsam verständig­en könnten, ist allerdings nicht in Sicht. Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverf­assungsger­ichtes, hat vor der letzten Wahl schon abgewunken. Gerda Hasselfeld­t, die Landesgrup­penvorsitz­ende der CSU, lässt ihre Karriere gerade ausklingen. Ursula von der Leyen, die Verteidigu­ngsministe­rin von der CDU, hat zwar schon einmal kurz mit einem Wech- sel ins Schloss Bellevue kokettiert, lässt in kleinem Kreis heute aber gelegentli­ch durchblick­en, dass sie viel lieber regieren als repräsenti­eren möchte.

Mit der Nominierun­g des Seiteneins­teigers Horst Köhler hat Angela Merkel im Frühjahr 2004 allerdings schon einmal gezeigt, dass sie auch zu überrasche­nden Lösungen in der Lage ist. Der Chef des Internatio­nalen Währungsfo­nds tauchte damals auf keiner Liste mit den üblichen Verdächtig­en auf und wurde am Ende trotzdem (oder gerade deswegen) Nachfolger von Johannes Rau.

Vor den Landtagswa­hlen in Mecklenbur­g-Vorpommern im September werden sich die Kanzlerin und SPD-Chef Sigmar Gabriel sicher nicht in die Karten blicken lassen – erst dann steht die endgültige Zusammense­tzung der Bundesvers­ammlung fest. Bis dahin darf fröhlich weiter spekuliert werden: Was ist eigentlich mit Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble? Mit Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier, dem Favoriten der Bürger? Und hält Angela Merkel nicht große Stücke auf die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r? Fest nominiert ist bisher nur ein Kandidat: Der aus dem Fernsehen bekannte Richter Alexander Hold von den Freien Wählern.

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Navid Kermani
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Norbert Lammert
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Volker Bouffier

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