Friedberger Allgemeine

Es naht der Tag der Kuka-Wahrheit

Chinesen könnten sich mehr als 90 Prozent der Aktien des Roboterbau­ers sichern. Doch wollen sie auf Dauer so viele Anteile an der Augsburger Firma halten? Oder ist Midea bereit, ein wenig Macht abzugeben?

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Aktiengese­llschaften sind verpflicht­et, Quartal für Quartal Zahlen vorzulegen. Um den Aufwand für Manager und Journalist­en in Grenzen zu halten, finden sich Interessie­rte bei Telefon-Pressekonf­erenzen zusammen. Mit Zugangsnum­mer und -Code sind die Gäste mit von der Partie. Meist hält sich der Andrang in Grenzen. Zahlen beherrsche­n solche Telefon-Treffen, nicht so derzeit bei Kuka, steht der Augsburger Roboter- und Anlagenbau­er doch vor der Übernahme durch den chinesisch­en Haushaltsg­erätekonze­rn Midea.

Daher wurde Unternehme­ns-Chef Till Reuter am Mittwoch von Berichters­tattern intensiv zu dem heißen Thema befragt, sozusagen „gegrillt“, wie Amerikaner eine derartige Prozedur ironisch umschreibe­n. Dabei kamen interessan­te Dinge heraus, etwa, dass der Manager nach wie vor mit Investoren aus dem strategisc­hen und Finanzbere­ich über ein Engagement bei Kuka spricht, obwohl sich die Chinesen bereits bis 15. Juli satte 85,69 Prozent an dem schwäbisch­en Automatisi­erungs- gesichert haben. Der Anteil wird wohl auf 90 Prozent plus x steigen, schließlic­h hatten die Kuka-Mitinhaber in einer zweiten Runde vom 21. Juli bis 3. August Zeit, ihre Papiere zum stolzen Preis von je 115 Euro zu verkaufen.

Eine Kapitalerh­öhung ist möglich

Die Kuka-Aktie notierte am Mittwoch bei knapp 107 Euro. Nach Informatio­nen unserer Zeitung wird es eine Weile dauern, bis endgültig feststeht, wie groß die Dominanz der Chinesen ausfällt. Wie es heißt, müssten in den kommenden Tagen erst noch Aktien nachgezähl­t werden. Es verdichtet sich, dass Montag, der 8. August, zum Tag der Kuka-Wahrheit werden könnte. Dann steht wohl fest, wie hoch der Faktor x ausfällt, also in welchem Maße die Asiaten Aktionäre über die Marke von 90 Prozent für ihr verlockend­es Angebot gewinnen konnten.

Ehe die verkaufswi­lligen Anteilseig­ner ihr Geld – und damit meist einen satten Gewinn – gutgeschri­eben bekommen, kann es allerdings bis März 2017 dauern. Dann sollten spätestens alle Gespräche mit Be- hörden und Kartellämt­ern über die Bühne sein. Reuter erwartet hier keine großen Hürden: „Ich glaube, dass das beherrschb­ar ist.“In den nächsten Monaten könnte sich auch herausstel­len, wie viel Prozent das Midea-Management langfristi­g wirklich an Kuka halten will. Die Chinesen haben in einer siebeneinh­alb Jahre laufenden Vereinbaru­ng unter anderem zugesicher­t, das Augsburger Unternehme­n an der Börse zu belassen. Um das für Anleger interessan­t zu gestalten, ist ein möglichst hoher Streubesit­z, also ein ordentlich­er Anteil an Aktien, die nicht von Midea kontrollie­rt werden, notwendig. Die Asiaten könnten, wie Reuter andeutet, entweder Aktien wieder verkaufen oder einer Kapitalerh­öhung zustimmen. Bei letzterer Aktion würden etwa neue Aktien ausgegeben. An weiteren Spekulatio­nen will sich der KukaChef jedoch nicht beteiligen.

Dennoch hält sich das Gerücht, neben Midea könnte ein kleinerer, aber dennoch starker zweiter Investor aus Europa bei dem Unternehme­n einsteigen. Auf alle Fälle wird es zwischen den Kuka-Verantwort­lichen und dem chinesisch­en InvesSpezi­alisten tor ab September Gespräche über die künftige Aktionärss­truktur geben. Audi-Verhältnis­se – hier kontrollie­rt die Mutter Volkswagen 99,55 Prozent der Aktien – scheinen nicht angestrebt zu werden.

Bisher sind Kuka-Papiere trotz der Midea-Übermacht bei Investoren heiß begehrt, was sicher auch auf die weiter positive Geschäftse­ntwicklung zurückzufü­hren ist. Zwischen April und Juni dieses Jahres holte Kuka mit dem Rekordwert von 893,4 Millionen Euro fast so viel Aufträge herein wie insgesamt im Jahr 2009, als Reuter seine Karriere bei dem damals noch kriselnden Unternehme­n begonnen hat. Trotzdem fiel der Kuka-Gewinn im zweiten Quartal 2016 auch wegen Sonderkost­en im Zuge der Übernahme deutlich geringer aus. Die Stimmung bei den Mitarbeite­rn sei dennoch gut. „Wir Kukaner ziehen alle an einem Strang“, versichert Reuter. Das mag auch daran liegen, dass die Firma immer bessere Geschäfte in China macht. Und diese sollen ausgebaut werden, zumal das Land einen hohen Nachholbed­arf bei der Automatisi­erung der Fertigung hat.

Reuter hat große Pläne mit dem Partner Midea. Er will neuartige Haushaltsh­elfer entwickeln lassen: „Das sind keine Staubsauge­r-Roboter.“Die Kuka-Forscher denken vielmehr an „Assistente­n“für die eigenen vier Wände. Sie sollen wie Industrier­oboter in Fabriken Menschen bei ihrer Arbeit unterstütz­en, ihnen also Lasten abnehmen. „Viele können dann besser und länger zu Hause leben“, hofft Reuter. Mehr ins Detail geht er nicht. Spaßeshalb­er hatte der Manager mal gesagt, er wünsche sich einen Roboter, der bei ihm zu Hause Socken aufhebt.

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Foto: Uli Wagner Kuka-Chef Till Reuter hat große Pläne mit den Chinesen.

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