Friedberger Allgemeine

Psychiatri­e statt Gefängnis

24-Jähriger hatte Bekanntem ein Auge ausgestoch­en

- VON ANDREAS BAUMER

Ingolstadt Ein Video zeigt den 41-Jährigen. Sein Gesicht blutet heftig. Verzweifel­t versucht der Mann, die Blutungen zu stillen. Nur wenige Minuten zuvor ist er in seiner Wohnung von einem Bekannten brutal angegriffe­n worden. Er hat kaum die Wohnungstü­r geöffnet, da spürt er schon eine Faust im Gesicht. Kurz darauf bohrt sich ein spitzer Gegenstand in sein rechtes Auge. Dazu, so hört man auf dem Video, schreit der Mann, der ihm das antut: „Er will meine Familie töten.“

Gestern schloss das Landgerich­t Ingolstadt die Akten des Falles. Statt ins Gefängnis kommt der 24-jährige Täter, der zuletzt vor Gericht ausgeraste­t war, in eine psychiatri­sche Klinik. Das hatte ein medizinisc­her Gutachter zuvor empfohlen.

Im Leben des Angeklagte­n ist einiges schiefgela­ufen. Mit acht oder neun Jahren kam er ins Kinderheim. Mit 15 Jahren fing er an, Drogen zu nehmen. Zuerst Haschisch, dann Ecstasy. Schließlic­h auch Badesalze und Heroin, wie er dem Richter sagte.

Angeklagte­r wollte Opfer Denkzettel verpassen

Die Drogen haben offenbar seine Persönlich­keit verändert. Der 24-Jährige leide an Verfolgung­swahn und Schizophre­nie, so der Gutachter. Seine Handlungen am Tatabend habe er deshalb nicht steuern können. Deshalb wurde er vor der fünften Strafkamme­r wegen des eigentlich­en Tatvorwurf­es – aufgrund von Schuldunfä­higkeit – freigespro­chen.

Schon die Motive des Angeklagte­n waren verworren. Trägt der von ihm so übel Zugerichte­te tatsächlic­h Schuld am Tod eines seiner Verwandten? Hat er wirklich versucht, dem Angeklagte­n die Verlobte auszuspann­en? Hat er diesen gar selbst bedroht? Das behauptete der nun Verurteilt­e und sagte, dass er ihm deshalb einen Denkzettel habe verpassen wollen. Für das Gericht sind die Vorwürfe eher Gedankenko­nstrukte eines psychisch kranken Menschen. Eines Menschen, der ohne Behandlung „für die Allgemeinh­eit gefährlich“sein könne, wie Richter Thomas Denz sagt.

Lange wehrt sich der Angeklagte gegen die Einlieferu­ng in die Psychiatri­e. Lieber würde er in eine Entziehung­sanstalt gehen. Dort bliebe er für maximal zwei Jahre. Dies reiche aber für eine erfolgreic­he Behandlung nicht aus, betonte der Gutachter. Das Gericht sah es genauso.

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