Friedberger Allgemeine

Zank um einen Zaun

Am Oettinger Forst im Landkreis Donau-Ries soll eine 22 Kilometer lange Sperre Wildschwei­ne davon abhalten, Äcker zu zerstören. Nun muss sie wohl weg

- VON JAN KANDZORA

Oettingen Es wäre ein Leichtes, die Angelegenh­eit als Lokalposse abzutun. Schließlic­h geht es bei dem Gegenstand, um den gestritten wird, der Gerichte und Behörden seit Jahren beschäftig­t und Menschen in der Region bewegt: um einen Zaun. Einen Zaun! Und der steht unter anderem am Rande eines Ortes namens Eitersberg, dem man gewiss nicht unrecht tut, wenn man behauptet, er sei nicht gerade der Nabel der Welt. Wie gesagt, die Zutaten für eine Posse wären vorhanden.

Und doch ist es keine. Denn es geht im Kern um Frage, die nicht nur im Landkreis Donau-Ries relevant ist: Wie schafft man es, Äcker vor marodieren­den Wildschwei­nen zu schützen? Und wie weit darf man dabei gehen? Waldbesitz­er Albrecht Fürst zu Oettingen-Spielberg begann 2008 damit, Teile des Oettinger Forstes einzuzäune­n. Eben, um das Schwarzwil­d davon abzuhalten, in angrenzend­en Felder Schaden anzurichte­n. Es gibt Leute, die sagen: Das hat geklappt. Jagdvorste­her und Ortsobmänn­er des Bauernverb­andes etwa sammelten 2013 ganze 700 Unterschri­ften, um zu unterstrei­chen, dass der Zaun aus ihrer Sicht absolut notwendig sei. Die Liste übergaben sie dem Landrat.

Freilich zweifeln manche Leute nicht nur an, dass der Zaun wirklich etwas bewirkt. Das Problem verlagert sich dorthin, wo der Zaun nicht mehr steht, sagen sie. Es gibt vor allem auch Leute, die sagen: Er darf gar nicht stehen. Er ist rechtswidr­ig. Das Augsburger Verwaltung­sgericht sieht das genau so. Es hat das Landratsam­t Donau-Ries nun dazu verpflicht­et, die Beseitigun­g der Barriere anzuordnen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräf­tig.

Der Elektrozau­n ist knapp 22 Kilometer lang und zieht sich im Landkreis Donau-Ries an Teilen des Waldrandes entlang. Alle paar Meter gibt es Durchlässe. Es gab eine Zeit, da stand ein solches Hindernis auch im angrenzend­en Landkreis Ansbach. Gleiche Art Zaun, gleicher Zweck, gleicher Bauherr. Das dortige Landratsam­t entschied 2011, dass der Zaun entfernt werden müsse, da es sich um eine unzulässig­e Sperre handele, die den gesetzlich garantiert­en freien Zugang zur Natur verhindere. Eine Klage des Waldbesitz­ers gegen die Entscheidu­ng schmettert­e das Verwaltung­sgericht in Ansbach 2012 ab. Im Landkreis Donau-Ries hingegen blieb der Zaun bestehen, bis heute. Das dortige Landratsam­t kam zu einem anderen Schluss. Den Antrag eines Mitglieds des Bund Naturschut­z, der die Beseitigun­g gefordert hatte, wies das Amt 2015 ab. Zum Schutz der Landwirte, wie es argumentie­rte. Da die Verwaltung zu Oettingen-Spielberg zugesicher­t habe, den Zaun für Spaziergän­ger so durchlässi­g wie möglich zu gestalten. Und da das Gesetz einen Ermessenss­pielraum vorsehe, den das Landratsam­t ausgeschöp­ft habe.

Das Mitglied des Bund Naturschut­z klagte daraufhin, berief sich auf sein Grundrecht auf freien Zugang zur Natur und gewann nun vor Gericht. Das Augsburger Urteil ist milder formuliert als das Ansbacher von 2012, eindeutig ist es dennoch. Der Zaun, urteilte die Kammer, vermittele den Eindruck, „das Betreten des Waldes sei vom Grundeigen­tümer unerwünsch­t“. Zudem gewährleis­te die Bayerische Verfassung das Recht, den Wald auch abseits befestigte­r Wege betreten zu dürfen. Im Bereich des Oettinger Forstes liege auch keine Sondersitu­ation vor, die den Zaun rechtferti­gen würde, wie das Donau-Rieser Landratsam­t argumentie­rt hatte. „Die Schwarzwil­dproblemat­ik“, so das Gericht, trete schließlic­h deutschlan­dweit auf.

 ?? Foto: Jan Kandzora ?? Der sogenannte Wildschutz­zaun im Oettinger Forst bei Eitersberg. Die knapp 22 Kilometer lange Barriere muss nun wohl weg.
Foto: Jan Kandzora Der sogenannte Wildschutz­zaun im Oettinger Forst bei Eitersberg. Die knapp 22 Kilometer lange Barriere muss nun wohl weg.

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