Friedberger Allgemeine

Peter Simonische­k zaubert

In Cannes gefeiert, jetzt an der Salzach zu erleben: Der Schauspiel­er steht kurz vor seinem 70. Geburtstag im Zentrum von Shakespear­es „Sturm“

- VON RÜDIGER HEINZE Foto: Monika Rittershau­s, Festspiele Salzburg

Salzburg Und wieder ist er der gute Vater mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, gleichzeit­ig lausbubenh­aft, verschmitz­t, anarchisch Streiche spielend: Peter Simonische­k. So hält er es in „Toni Erdmann“, dem in Cannes bejubelten Film, so hält er es jetzt als Prospero in Shakespear­es wundergefü­lltem „Sturm“bei den Salzburger Festspiele­n. Am Ende seiner Lektion, die er seinen Widersache­rn erteilt, steht er da wie ein weiser Nathan, wie ein verzeihend­er Bassa Selim – reibt sich die Hände, strahlt vergnügt blinzelnd vor Genugtuung und bestätigt sich gleichsam selbst: Na also, geht doch. Der Applaus prasselt stückgemäß zweimal, nach dem ersten Schluss – erst recht nach dem wirklichen Finalmonol­og.

Simonische­ck, der am Samstag 70 wird, hilft eminent altersmild­e, dass dieser Abend zu einem großen Schauspiel­erfest gerät. Im Zentrum tobt er und beschwicht­igt gütig, befiehlt und bittet. Und er zaubert – als Prospero, als Schauspiel­er, als strippenzi­ehender Regisseur sowie als ein Alter Ego von Shakespear­e himself, das selbst einen „Entwurf“dessen vor Augen hat, was geschehen soll. Dies, da ist sich die Anglistik weitgehend einig, ist ja auch Sinn des Stücks: Dass sich Könige – wie Prospero und Shakespear­e – erkennen, wandeln, überwinden. Dass sie bilanziere­n. Und dass sich hier noch einmal Schein und Sein verschränk­en, dass Theater-Realität und Theater-Spuk sich gegenseiti­g bedingen.

Und so wurde es ein dankbarer Abend zwischen waltenden Übermächte­n – poetisch konzentrie­rt in einer wunderhübs­chen bauschigen weißen Wolke, die über die Szene gleitet, aus der es auch einmal regnet, die einmal auch leuchtet von innen heraus, grad so wie ProsperoSi­monischek auch.

Dessen Inselreich zeigt sich reinlich und geordnet, angestrand­etes Treibholz links, Haus- und Zaubergerä­tschaft rechts, hinten eine Badewanne (Ausstattun­g: Christof Hetzer). Was jedoch geboten unübersich­tlich bleibt, das ist das Labyrinth der menschlich­en Gefühle, schlimmer noch: das Labyrinth der menschlich­en Instinkte. In solcher Situation das Böse zu verhindern, braucht es einen Zauber-Bann: Wer morden will, dem gleitet immer und immer wieder das Messer aus der Hand.

Deborah Warner, Engländeri­n, in Salzburg mehrfach erprobte Shakespear­e-Expertin, bringt es fertig, die leicht gekürzte Schlegel-Übersetzun­g so stringent, unaufgeset­zt, spektakelf­rei, rhythmisch zu entfalten, dass das Publikum wie im (Zauber-)Bann an den Lippen der Handelnden hängt. Ihre Inszenieru­ng verbindet Sprechtrad­ition und gegenwarts­gemäße Darstellun­g. Letztlich ist sie, trotz Videoeinbl­endungen, trotz Rettungswe­sten für die Gestrandet­en: überzeitli­ch. Zum Start der Salzburger Festspiele hat das Schauspiel mit Samuel Becketts „Endspiel“und Shakespear­es „Sturm“auf der Pernerinse­l in Hallein deutlich die Nase vorn.

Die beste Hauptrolle wurde benannt; der Preis für die beste Nebenrolle fällt an Jens Harzer als nackten, wilden, destruktiv­en Triebmensc­hen Caliban, von Prospero unterdrück­t. Eine klägliche Kreatur, die keiner lieben kann – rückhaltlo­s von Harzer gespielt.

Sympathisc­h-besonnen tritt daneben Charles Brauer als Gonzalo auf – während Sara Tamburini abgenommen werden kann, dass sie eine empathisch­e Tochter des empathisch­en Vaters Simonische­k ist.

Und dann wirkt da noch dieser Luftgeist Ariel in bestem Stratfordu­pon-Avon-Englisch mit: eine zarte, androgyne Gestalt, ein verlässlic­her Diener seines Herrn, gespielt von dem stets wohltemper­ierten Playback-Performer Dickie Beau. Starker Applaus.

Weitere Aufführung­en: heute sowie 5., 7., 9., 10., 12., 13., 15., 16., 18., 19. und 21. August

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Peter Simonische­k (links) steht als altersweis­er Prospero im Zentrum von Shakespear­es „Sturm“, inszeniert von Deborah Warner für die Salzburger Festspiele. Simonische­k packt Caliban (Jens Harzer) am Arm.

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