Hitzefrei für Wiener Fiaker
Österreichs Hauptstadt hat die Regeln für die berühmten Pferdekutschen verschärft. Was die Betreiber im Sinne des Tierschutzes nun alles beachten müssen
Wien An diesem Sommersonntag fährt Martina Michelfeit, 46, mit ihrem Kutscher von ihrem Pferdehof zum Stephansplatz. Bekleidet mit einem kurzen Rock und Strohhut, erzählt sie von sich und ihren Tieren. Dass sie als erste Frau in Wien ein Fiakergespann auf Lohn gefahren sei. Und dass sie inzwischen mit ihrem Mann einen Pferdehof in einer stillgelegten Fabrik in der Nähe des Praters betreibe. Michelfeit ist die Sprecherin der Wiener Fiaker, deren Pferde neuerdings hitzefrei haben, wenn das Thermometer mehr als 35 Grad zeigt.
Michelfeit ist optimistisch, dass es an diesem Tag nicht so heiß wird. „Das ist ein matter Sommer“, sagt sie. Im vergangenen Jahr war es anders. Hätte es die Regel 2015 schon gegeben, wären die Pferde an 18 Tagen im Stall geblieben, anstatt in der prallen Sonne auf Touristen zu warten. „Für uns Fiaker wäre das eine große Einnahmeneinbuße gewesen“, gibt sie zu. Am Stephansplatz stehen morgens um zehn Uhr schon einige Kutschen. Der Stallbursche der Fiaker bringt den Pferden volle Wassereimer und spritzt sie mit dem Schlauch ab, wenn sie ankommen. Er wechselt auch die Mistsäcke aus, bis die nächsten Touristen zur Rundfahrt einsteigen. „Die Fiaker achten schon darauf, dass es den Tieren gut geht. Sie sind ja Freunde“, betont Michelfeit.
Die Sprecherin der Fiaker fühlt sich von Tierschützern an den Pranger gestellt. Sie hatten gefordert, dass die Pferde ab 30 Grad Außentemperatur nicht mehr arbeiten dürfen. Die rot-grüne Wiener Re- gierung folgte dem nur teilweise, setzte die Grenze bei 35 Grad und beschloss, dass von diesem Sommer an sieben neue Regeln für Fiaker gelten. Unter anderem werden die Pferde stärker veterinärmedizinisch kontrolliert, die Kutscher müssen einen täglichen Gesundheitscheck machen und das Ergebnis im Fahrtenbuch festhalten. Außerdem wurde die Fahrzeit um eine Stunde täglich verkürzt – was für die Kutscher in der Hochsaison ebenfalls zu Einnahmeverlusten führt.
Michelfeit bestreitet nicht, dass die Pferde im Lärm und Gestank des Stadtverkehrs erheblichen Strapazen ausgesetzt sind. Wer ein Gespann, eingequetscht zwischen einer Straßenbahn und einem großen Reisebus mit ortsunkundigem Fahrer, über die Ringstraße traben sieht, den überkommt zwangsläufig das Mitleid mit den Tieren. „Doch die Ringstraße wird kaum noch von uns befahren“, sagt Michelfeit.
2015 hat es einige schwere Unfälle mit Fiakern gegeben. Einmal starb ein Pferd, ein anderes Mal sogar ein Kutscher. Seitdem sind die 28 Wiener Fiakerunternehmen mit ihren rund 150 Mitarbeiterinnen und 375 Arbeitspferden noch stärker unter Druck geraten. Die verbesserten Kontrollen erschweren Verstöße gegen die Regeln. Den Pferden ist anzusehen, ob sie genug Wasser und Nahrung bekommen und ob ihr Fell gepflegt ist oder wundgescheuerte Stellen hat. Fiaker müssen eine Fahrdienstprüfung ablegen, die Kenntnisse über die Straßenverkehrsordnung, die Sehenswürdigkeiten sowie Pferde- und Wagenkunde umfasst. So wird versucht, eine der wichtigsten Touristenattraktionen Wiens zu erhalten. Aber auch die Wiener selbst – vor allem Großeltern für ihre Enkelkinder – bezahlen gern einmal eine Rundfahrt, die für knapp fünfzehn Minuten immerhin 55 Euro kostet. „Einmal an der Hofburg vorbeifahren und sich einmal als Prinzessin fühlen, das ist der Zauber der Fiakerfahrt. Das gönnen sich immer noch viele“, sagt Michelfeit.