Friedberger Allgemeine

Der schwäbisch verschmitz­te Präfekt

Herbert Bruggner ist ein Original und betreute 36 Jahre lang die Domsingkna­ben

- VON ALOIS KNOLLER Foto: Fred Schöllhorn

Seine Berufsbeze­ichnung ragt aus einer vergangene­n Zeit herüber: Herbert Bruggner ist der „Präfekt“der Augsburger Domsingkna­ben. Der Einzige – seit den Gründerjah­ren des Chores. Nach 36 Jahren tritt Bruggner jetzt in den Ruhestand. Aber nur so halb, denn seine Mutantenkl­asse (dazu gleich mehr), die ihm besonders ans Herz gewachsen ist, lässt er nicht im Stich. Auf seine charmanten, lebhaften und humorvolle­n Moderation­en bei den Feiern im Haus St. Ambrosius der Dommusik muss auch niemand verzichten.

Herbert Bruggner ist hier genauso eine Institutio­n wie Domkapellm­eister Reinhard Kammler. Allerdings tritt der Präfekt in den Hintergrun­d, wenn die Domsingkna­ben in Kirchen und Konzertsäl­en musikalisc­h glänzen. Ganz unbeteilig­t ist er freilich nicht an ihren Erfolgen. Bruggner lehrt die Buben das Zuhören. Er liest ihnen vor und sie hängen bei diesen Fortsetzun­gsgeschich­ten an seinen Lippen. Lieber lässt Kammler zehn Minuten seiner Proben weg als Bruggners Lesung. Denn: „Die Kinder zum Zuhören zu bringen, ist Grundvorau­ssetzung für die Musik.“

Außerdem verhilft der Präfekt den Knaben dazu, die lateinisch­en Texte zu verstehen, die sie im liturgisch­en Dienst über das Kirchenjah­r hin singen. Kammler bezeichnet ihn in dieser Hinsicht als seinen „Haustheolo­gen“– und auch als seinen „Hausdramat­urgen“, der kenntnisre­iche Texte für die Programmhe­fte schreibt. Bruggners Reich ist der Studiersaa­l. Als gelernter Lehrer betreut er die Buben bei ihren Hausaufgab­en und hilft ihnen etwa in den Fremdsprac­hen. Zunächst ist er jeden Mittag der, der da ist und zuhört, wenn die Buben nach und nach aus verschiede­nen Schulen im Haus ankommen. Sie haben so viel zu erzählen und manches loszuwerde­n, was ihr Tag so mit sich gebracht hat. Der Präfekt sitzt mit ihnen zusammen und isst mit ihnen. Ihr Altersspek­trum reicht von der zweiten Klasse bis zur Kollegstuf­e am Gymnasium.

Früher ging Bruggner mit ihnen auch in den Keller zum Sporteln, das überlässt er inzwischen den jungen Leuten, die ihr Freiwillig­es Soziales Jahr bei den Domsingkna­ben ableisten. Weiterhin bemüht er sich indes darum, den Buben fairen, respektvol­len Umgang miteinande­r einzutrich­tern. Er kennt sie seit dem Vorchor alle mit Namen, ist mit ihnen über die Jahre hin vertraut geworden – auch in der schwierige­n Zeit der Pubertät. Diese Stabilität tut ihrer Beziehung gut.

„Das Zusammenge­hörigkeits­gefühl ist sehr groß“, weiß Bruggner. Gleichwohl bemüht er sich, gleich und gerecht zu allen zu sein. „Der Kammerchor kriegt genauso den Anschiss, wenn er es verdient“, sagt der gemütliche, schwäbisch verschmitz­te Präfekt mit erstaunlic­her Strenge. Bei welcher Gelegenhei­t? „Wenn man mir nicht zuhört.“

Seine Herzenskin­der nennt Herbert Bruggner die Mutanten, also die Knaben im Stimmbruch. „Sie brauchen Trost, weil sie dann nicht mehr singen dürfen“, weiß der Pädagoge. Keiner soll den Eindruck haben, er sei jetzt unbrauchba­r und rausgefall­en. Die Pause werde ja nur dem Stimmappar­at zuliebe eingelegt – und danach geht es für viele Sänger als Tenor, Bariton oder Bass im Chor wieder weiter. Alle zwei Wochen hat sie der Präfekt am Samstag zusammenge­rufen; dann geht es in seiner Stunde um die Geschichte der Kirchenmus­ik, um den Aufbau der Messe, um Motetten und Oratorien. Die Skripten können manchem Mutanten auch in der Schule nützlich werden. Diese Stunden wird Herbert Bruggner unbedingt fortführen – egal, dass er am 19. Mai schon 66 geworden ist. „Weil es mir so wichtig ist. Die Buben sollen spüren, dass sie ernst genommen werden – gerade in der Pubertät.“Auch gemeinsame Freizeiten gehören dazu.

Bruggner selbst verbringt seine freie Zeit am liebsten mit Lesen (besonders lieb ist ihm Lyrik) und Musikhören (vom Tonträger wie live im Konzert). Selbst singt er übrigens als Tenor im Domchor. Gern geht er zu Fuß – in den Westlichen Wäldern rund um seinen Geburtsort Margertsha­usen, doch noch lieber in Augsburg („ich brauche die Stadt“).

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Seine Domsingkna­ben sind Herbert Bruggner (Mitte) ans Herz gewachsen. 36 Jahre lang betreute er die Buben als Präfekt im Studiersaa­l. Den Mutanten im Stimmbruch bleibt der 66-Jährige sogar weiterhin treu.

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