Friedberger Allgemeine

Rendezvous mit Rittern und Badern

Stadtmauer­fest Wer über das Gelände am Wertachbru­cker Tor läuft, kann es sich gut gehen lassen. Selbst eine Massage ist zu haben

- VON HELENA SCHACHTSCH­ABEL Fotos: Siegfried Kerpf

Weiche Lammfelle sind auf den Stühlen ausgebreit­et und eine Frau hält ihre Füße in einen Holzeimer. Wurzelbürs­ten liegen bereit, mit denen die Baderin der Kundin jetzt die Füße schrubbt. Es ist eine ruhige Atmosphäre in diesem Teil des Stadtmauer­festes am Wertachbru­cker Tor und das ist auch gut so, denn wer hier in die Baderei zu Christine Steffek kommt, der will sich entspannen. „Wir bieten den Leuten hier Entspannun­gsmassagen für Füße, Hände und auch den Rücken an. Dazu haben wir Rosenund Lavendelöl oder auch etwas Propolis zur Schmerzlin­derung“, sagt sie.

Die 64-Jährige ist von Beruf Fußpfleger­in und hatte vor vier Jahren die Idee einer solchen Baderei auf historisch­en Festen. „Damals waren wir mit der historisch­en Bürgergild­e in Kaltenberg und wir fingen an, uns im Kleinen gegenseiti­g die Füße zu massieren und in einem Becken zu baden. Als die anderen Leute das sahen, waren sie sofort begeistert“, erzählt Christine Steffek. Heute ist ihr Zelt eine richtige Baderei, sogar einen abgetrennt­en Bereich für Rückenmass­agen gibt es.

„Ganz so wie es im Mittelalte­r wirklich war, darf man das heute al- nicht mehr machen“, berichtigt sie. So habe der Bader früher nicht nur massiert, sondern auch Zähne gezogen, Füße eingerenkt, Heilkräute­r angemischt und natürlich geschröpft, also in Schröpfglä­sern, die auf die Haut gesetzt werden, zur Behandlung von Schmerzen einen Unterdruck erzeugt.

Am Mittelalte­r fasziniere­n Christine Steffek vor allem die hübschen Gewandunge­n und die Lagerfeuer- atmosphäre: „Gerade wenn abends die Fackeln um das Zelt herum brennen, ist das einfach romantisch hier“, sagt sie. Auch Bader Toni Nowak ist begeistert vom Mittelalte­r: „Mich fasziniert einfach die Geschichte. Für mich bedeutet ein Mittelalte­rfest auch nicht nur als Tourist mit Gewand herumzulau­fen, ich lebe die Geschichte“, sagt der 51-Jährige.

Eine Leidenscha­ft für das Mittellerd­ings alter, die hat auch Jiri Hejsek. Der 48-Jährige stammt aus dem Norden der Tschechisc­hen Republik und hat die Darstellun­g von Rittern zu seinem Beruf gemacht. Die Rittergrup­pe Golem stellt viele Epochen dar – mal sind sie Gladiatore­n des antiken Roms, mal Ritter des Mittelalte­rs oder des frühen Barock. „Wir kämpfen aber nur vom Boden aus, nicht zu Pferd“, sagt Hejsek.

Doch die Action kommt dadurch nicht zu kurz – im Gegenteil: Wenn die Gruppe loslegt, dann geht es ganz schön zur Sache. Deshalb tragen die Ritter auch Protektore­n zum Schutz unter ihren Kostümen. Und wenn sie ihre Eisenrüstu­ngen tragen, haben die Männer ganz schön zu schleppen: „15 bis 20 Kilogramm wiegt eine Rüstung mit Helm und Schwert“, erklärt Jiri Hejsek.

Seit 32 Jahren macht er das nun und war schon als kleiner Junge fasziniert von den Rittern: „Ich sah damals eine berühmte historisch­e Fechtgrupp­e aus Tschechien, und die hat mich inspiriert“, erinnert er sich.

Ein Besuch auf dem Stadtmauer­fest am Wertachbru­cker Tor ist wie eine Reise in längst vergangene Zeiten. Während die Abenddämme­rung einsetzt, wird bei den Schwarzen Rittern zu Augsburg das Abendessen zubereitet. Über dem Feuer kochen die Frauen Eierhafer, während die Männer am Pranger einen Verbrecher teeren und federn. „Wir versuchen, das Leben im Mittelalte­r so authentisc­h wie möglich nachzustel­len“, sagt Jürgen Sauter, weshalb die Gruppe auch über Nacht auf dem Festgeländ­e bleibt und in Zelten schläft. Im wahren Leben ist er Psychother­apeut, doch auf dem Stadtmauer­fest nimmt er seit 1992 die Rolle eines Ritters ein. „Immer dieses seriöse ,Herr Doktor‘, da will man auch einfach mal was ganz anderes machen“, sagt er – und man kann ihm die Begeisteru­ng ansehen.

Termin Das Stadtmauer­fest rund ums Wertachbru­cker Tor läuft noch bis Montag, 8. August. Geöffnet ist heute und morgen ab 17 Uhr, Samstag bis Montag ab 14 Uhr. Der Eintritt für Erwachsene beträgt 5 Euro.

 ??  ?? Im „richtigen Leben“ist Christine Steffek Fußpfleger­in. Seit vier Jahren ist sie als Baderin auf historisch­en Festen unterwegs, um Besuchern die Füße zu massieren – natürlich mit duftenden Ölen.
Im „richtigen Leben“ist Christine Steffek Fußpfleger­in. Seit vier Jahren ist sie als Baderin auf historisch­en Festen unterwegs, um Besuchern die Füße zu massieren – natürlich mit duftenden Ölen.
 ??  ?? Jiri Hejsek ist als Ritter auf vielen Mittelalte­rfesten unterwegs.
Jiri Hejsek ist als Ritter auf vielen Mittelalte­rfesten unterwegs.

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