Friedberger Allgemeine

Der Distelfink mag Farbe im Liebeslebe­n

Die Männchen kommen nur gut an, wenn sie das Richtige fressen. Doch damit nicht genug. Der „Vogel des Jahres“hat noch ganz andere Probleme

- VON EVA MARIA KNAB Foto: Peter Fastl

Je bunter, umso fitter: Diese Regel bestimmt das Liebeslebe­n der Distelfink­en. Weibchen suchen sich für die Paarung Männchen aus, die besonders schön rot und gelb leuchten. „Die Farbe hat Signalfunk­tion für Partner“, erklärt Vogelkundl­er Hermann Stickroth. Nur wenn ein Distelfink gesund ist, ist er ein richtig bunter Vogel. Kränkelt er, verblassen seine Farben. Doch einen gesunden Lebensraum findet die Art immer seltener. Auch in Augsburg hätten Distelfink­en inzwischen ein Problem, gäbe es nicht Überlebens­inseln.

Rund 50 Prozent der Distelfink­en in der Stadt leben in Kleingärte­n. Dort kommen sie noch wesentlich öfter vor als in öffentlich­en Grünanlage­n oder in Auwaldrest­en an Lech und Wertach. Das haben Zählungen der Augsburger Kreisgrupp­e des Landesbund­es für Vogelschut­z (LBV) ergeben. Bei zwei Kartierung­en wurden rund 50 Brutpaare ermittelt. Insgesamt könne man damit noch von 200 bis 300 Brutpaaren im Stadtgebie­t ausgehen, sagt Stickroth. Deutschlan­dweit nimmt der Bestand kontinuier­lich ab.

Früher waren Distelfink­en, die auch Stieglitz genannt werden, Allerwelts­vögel. Denn im Grunde sie mit vielen unterschie­dlichen Lebensräum­en auf dem Land und in der Stadt zurecht. Sie mögen Waldränder genauso wie Feldgehölz­e und Gärten. Allerdings brauchen sie als Nahrung vor allem weiche Samen, die sie an Wildkräute­rn, Gräsern und Bäumen finden.

Genau das ist eines ihrer großen Probleme. Landläufig fallen diese Pflanzen unter den Begriff Unkraut. Das will keiner mehr wachsen lassen. Landwirte pflügen ihre Felder bis an die Ränder und lassen keinen „wilden“Streifen mehr stehen. Hauseigent­ümer dulden meistens kein Unkraut in ihren Gärten.

Biologe Stickroth macht es in seinem Kleingarte­n an der Hirblinger Straße anders. Dafür wird er mit viel munterem Gezwitsche­r belohnt. Im Frühling mäht er den Rasen nicht komplett. Wildblumen dürfen stehenblei­ben und sogar bis in die Gemüsebeet­e hineinwach­sen. Gartenblum­en wie Astern werden vor dem Winter nicht abgeschnit­ten. Denn in den Blütenrest­en finden viele Vögel auch in der kalten Jahreszeit noch Nahrung.

Der Distelfink mag – wie der

Tiere in der Stadt

Name schon sagt – ganz besonders Disteln. „Dort findet er einen besonders reich gedeckten Tisch“, erklärt Stickroth. Wie viele andere Wildblumen seien Disteln eine Art Mini-Ökosystem, in dem sehr viele Insekten leben. Deren Larven seien für Distelfink­en und andere Vögel wiederum eine willkommne Fleischbei­lage.

Wo der bunte Distelfink lebt, ist die Landschaft ebenfalls bunt und abwechslun­gsreich. Deshalb wurde er vom Landesbund für Vogelschut­z zum „Vogel des Jahres 2016“ausgerufen. Stickroth kennt alle Geheimniss­e dieser Art. Er hat sich intensiv mit ihr beschäftig­t. Der Augsburger schreibt als Fachredakt­eur für eine deutschspr­achige Monatszeit­schrift für Vogelkundl­er. Sie erscheint unter dem Titel „Der Falke“.

Als Journalist hat Stickroth auch weniger bekannte Details aus dem Leben der Distelfink­en ausgegrabe­n, die normalerwe­ise nur in der Fachlitera­tur zu finden sind. Eine Eigenart ist beispielsw­eise, wie sich diese Vögel in der Brutzeit verhalten. Verschiede­ne Paare lernen sich im Frühjahr in ihrem Lebensraum kennen und brüten dann in der Gruppe. In dieser Zeit treffen sich die befreundet­en Distelfink­en täglich. Sie singen zusammen und pflegen ihre Sozialkont­akte. Die Grupkommen penbildung geht so weit, dass sie auch gemeinsam ihr Revier gegen fremde Distelfink­en verteidige­n. Stickroth hofft, dass Distelfink­en auch einmal in seinem eigenen Kleingarte­n brüten. Bislang hört er sie nur regelmäßig singen. Ihr Ruf klingt ähnlich wie „Stiglitt“. Daher hat der Vogel den zweiten Namen Stieglitz.

Stickroth beschäftig­t sich auch beruflich viel mit Natur. Der 53-jährige Augsburger ist promoviert­er Biologe und freiberufl­ich in den Bereichen Artenschut­z und Naturschut­z tätig. Seine Leidenscha­ft für die Ornitholog­ie hat er aber schon als Kind in der Familie mitbekomme­n. „Als Bub bin ich oft mit meinem Vater am Lech spazieren gegangen, er hat mir viel erklärt“, erinnert sich Stickroth. Als Jugendlich­er nahm er dann schon an Exkursione­n in die heimische Vogelwelt teil, damals noch mit dem früheren Augsburger Zoodirekto­r Georg Steinbache­r.

Wenn Stickroth seinem Hobby nachgeht, ist er immer mit dem Fernglas unterwegs. Es ist das wichtigste Hilfsmitte­l, um Vögel zu beobachten. Deshalb erinnert er sich noch genau, wann er sein erstes eigenes Fernglas bekam. Damals war er 15. Es war ein Weihnachts­geschenk. Der Zufall wollte es, dass ausgerechn­et an den Weihnachts­feiertagen ein Waldkauz im Garten der Familie saß. Stickroth konnte ihn ganz aus der Nähe beobachten. „Da hat mich die Leidenscha­ft für die Vogelkunde gepackt.“

Führung Eine Exkursion zum Distelfink­en bietet der Landesbund für Vogelschut­z, Kreisgrupp­e Augsburg, am Samstag, 6. August, von 10 bis 11.30 Uhr an. Die Führung führt an der Wertach entlang. Treffpunkt ist an der Kulperhütt­e. Leiter ist Martin Trapp.

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Hermann Stickroth kennt viele Geschichte­n über Distelfink­en.

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