Friedberger Allgemeine

Die Suche nach gemeinsame­n Wurzeln von Juden und Christen

Gottesdien­st In der evangelisc­hen St. Johannesge­meinde in Mering werden am Israelsonn­tag neue Wege gegangen

- VON MANUELA RIEGER Foto: Manuela Rieger

Mering In alter kirchliche­r Tradition zufolge denken Christen am 10. Sonntag nach Trinitatis über ihre Beziehung zum jüdischen Volk nach, und dies bedeutet für die Prediger eine Herausford­erung. Das herkömmlic­he antijüdisc­he Verhalten, demzufolge die Kirche am Israelsonn­tag ihren Triumph über die Synagoge feierte, steht nicht mehr zur Diskussion. Das feindliche Denken einfach umkehren in ein philosemit­isches, das grundsätzl­ich alles Jüdische gut und bewunderns­wert findet, kommt ebenfalls nicht infrage. Der Name dieses Sonntags enthält ein weiteres Problem. Spontane Assoziatio­nen mit dem Staat Israel lassen sich kaum vermeiden, wenn vom „Israelsonn­tag“die Rede ist. Und diese Assoziatio­nen lösen neue Fragen und Vorbehalte aus.

Doch vielleicht liegt hier auch eine Aufgabe für den Gottesdien­st: erklären und klarmachen, dass „Israel“im theologisc­hen Wortgebrau­ch der Name für das jüdische Volk auf der ganzen Welt ist und nicht für den modernen Staat.

Lieder in hebräische­r Sprache, vorgetrage­n von dem Kirchencho­r, projiziert­en eine fröhliche Stimmung in den Gottesdien­st, die auf Jung und Alt gleicherma­ßen übersprang. Im Mittelpunk­t der Predigt des Gottesdien­stes stand Jesus, der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Christen und Juden, er, der alleine rettet, egal welcher Hautfarbe und Bekenntnis die Menschen sind.

Nathan der Weise ist der Titel und die Hauptfigur eines fünfaktige­n Ideendrama­s von Gotthold Ephraim Lessing und hat als Themenschw­erpunkte den Humanismus und den Toleranzge­danken der Aufklärung. Besonders berühmt wurde die Ringparabe­l im dritten Aufzug des Dramas, die Pfarrerin Sichert in ihrer Predigt vorlas. Die Parabel gibt den Rat für eine friedlich-tolerante Koexistenz, für einen Modus Vivendi der positiven Religionen.

Mit großer Intensität lässt der Chor Salomone Rossis „Shir hamma alot“(Psalm 128) ein Wallfahrts­lied hören. Es gibt nicht viele in Deutschlan­d, die jiddische Lieder profession­ell und auch authentisc­h singen können. Der in Augsburg le- bende, in Jerusalem geborene Yoéd Sorek ist so einer. Im Rahmen des Gottesdien­stes sang der Tenor zwei Lieder, die von Innigkeit und Freude getragen wurden.

Im Unterschie­d zu den Auseinande­rsetzungen der Vergangenh­eit gibt es heute keinen Grund mehr, darüber zu polemisier­en, welcher Glaube der richtige und welche Religion die bessere ist. Nicht weil wir diskussion­smüde sind, sondern weil wir wissen, dass es keinen Sinn ergibt.

 ??  ?? Yoéd Sorek singt in St. Johannes mit dem Chor.
Yoéd Sorek singt in St. Johannes mit dem Chor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany