Kanzlerin im Stimmungstief
In unruhigen Zeiten sehnt der Wähler sich nach Kontinuität. Als Terroristen im vergangenen Jahr die Redaktion einer Zeitschrift und einen jüdischen Supermarkt in Paris stürmten, stiegen die Popularitätswerte von François Hollande buchstäblich über Nacht an. Aus dem unbeliebtesten Präsidenten der Fünften Republik wurde der Mann, der sich mit klaren Worten und einem beherzten Krisenmanagement das Vertrauen der Franzosen zurückeroberte.
Die Werte von Angela Merkel sind in einer ähnlichen Situation um zwölf Prozentpunkte gefallen. Nach den Attentaten von Würzburg und Ansbach traut die Mehrheit der Deutschen ihr offenbar nicht mehr zu, sie sicher durch unruhige Zeiten zu führen. Ein Jahr vor der Wahl ist das für die Union ein besorgniserregender Befund: Ihre Kanzlerin, die lange Zeit schier unangreifbar schien, hat sich mit ihrer Flüchtlingspolitik angreifbar gemacht. Das muss sie noch nicht die Macht kosten, ein Selbstläufer aber wird die Bundestagswahl für die C-Parteien sicher nicht. Dass Horst Seehofer fast so stark zulegt, wie Angela Merkel verliert, zeigt die ganze Zerrissenheit der Union. Mit seiner deutlich restriktiveren Argumentation spricht er heute auch Menschen aus der Seele, die lange Zeit an das optimistische „Wir schaffen das“geglaubt haben.