Friedberger Allgemeine

Der Heile-Welt-Laden muss Horrorgesc­hichten verkaufen

Olympische Spiele können ihren Zauber haben, aber für Rio de Janeiro kommen sie zur Unzeit und das IOC hat nicht nur ein russisches Dopingprob­lem

- VON PETER DEININGER pede@augsburger-allgemeine.de

Als das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) im Herbst 2009 die Olympische­n Sommerspie­le für 2016 an Rio de Janeiro vergab, war der Jubel groß. Am weltberühm­ten Strand von Copacabana jubelten Hunderttau­sende, Präsident Lula sah Brasilien dank kräftiger Öleinnahme­n bereits als erwachende­n grünen Riesen. Doch die Fußball-Weltmeiste­rschaft 2014 endete für seine begeisteru­ngsfähigen Landsleute mit der 1:7-Schmach gegen Deutschlan­d und das erste Olympia-Gastspiel in Südamerika kommt zur Unzeit.

Brasilien steckt in einer tiefen Krise. Die Wirtschaft ist nicht mehr im Aufschwung, sondern hat schon mit den einfachste­n Klimmzügen Probleme. Die politische Elite hat nach einer Vielzahl von Korruption­sskandalen das letzte Vertrauen der Bevölkerun­g verspielt und zu allem Überfluss treibt auch noch der Zika-Virus sowie eine hohe Kriminalit­ätsrate den Angstschwe­iß auf die Stirn der Tourismusm­anager.

Rio de Janeiro wird aber bis zum 21. August auch die andere Seite seiner (Olympia-)Medaille zeigen. Das Gesicht einer wunderschö­nen Stadt (Cidade maravilhos­a) mit freundlich­en Menschen in schwierige­r Zeit.

Olympia kann möglicherw­eise sogar mehr Charme entwickeln, wenn nicht alles so perfekt läuft wie bei den chinesisch­en Staatsauff­ührungen 2008 in Peking. Die Spiele haben noch fast immer ihren besonderen Zauber entwickelt, wenn erst einmal die Auftritte der Sportler aus der ganzen Welt die Schreckens­szenarien der Vorbereitu­ng abgelöst haben.

Für Rio de Janeiro wird das bittere Erwachen erst nach dem Ende des Spektakels im Zeichen der fünf Ringe kommen, wenn endgültig abgerechne­t wird und die finanziell­e Notlage an allen Ecken und Enden noch deutlicher sichtbar sein wird.

Auch die Olympier mit ihrem deutschen Präsidente­n Thomas Bach sind längst nur noch Krisenmana­ger in einem Laden, der gerne Heile-Welt-Literatur verkaufen würde, aber stattdesse­n fast nur Horrorgesc­hichten zu bieten hat. Der Dopingskan­dal in Russland mit all seinen juristisch­en Begleiters­cheinungen hat deutliche Spuren hinterlass­en.

Viele Sportler sind sehr frustriert, weil sie bei den Entscheide­rn konsequent­e Entscheidu­ngen vermissen. Das Schwarze-Peter-Spiel von IOC und Welt-Anti-DopingAgen­tor Wada, wer denn nun wo in der Affäre versagt hat, wird die Sympathiew­erte noch mehr sinken lassen.

Gerade in den westlichen Demokratie­n denken viele, dass die Spiele zum viel zu teuren faulen Zauber samt Naturzerst­örung verkommen sind. Wenn die Menschen gefragt werden, sage die Mehrheit „Nein Danke“.

Die deutschen Bewerber in München und Hamburg können ein Lied davon singen, aber auch internatio­nal bröckelt die Zustimmung immer mehr. Das IOC muss aufpassen, dass es weiterhin genügend Kandidaten findet, denen es sein Produkt verkaufen kann.

Dabei haben es die Spiele 1972 in München oder 1992 in Barcelona gezeigt, dass eine Stadt durch Olympia mehr gewinnen kann als Rampenlich­t für 16 Tage – nämlich einen Schub in der Stadtentwi­cklung. Auch die neue Metrolinie in Rio de Janeiro wird das Leben von Millionen nach den Spielen erleichter­n.

Das IOC bekommt viel Geld – vor allem von den Fernsehsen­dern in der Welt. Es wäre ein erster wichtiger Schritt, die Zuschüsse für die Gastgeber deutlich zu erhöhen. Damit sich wieder mehr Städte Olympia leisten wollen und die Menschen das Gefühl bekommen, die Spiele sind eine schöne Sache – für alle Beteiligte­n.

IOC und Wada spielen Schwarzer Peter

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