Friedberger Allgemeine

Millionen Autos sind leicht zu knacken

Forscher haben bei Auto-Schließsys­temen eine massive Sicherheit­slücke offengeleg­t. Weltweit sollen 100 Millionen Fahrzeuge betroffen sein. Und wieder ist VW mit dabei

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Berlin In der Autoindust­rie bahnt sich ein neues Problem an. Millionen Autos sind anscheinen­d von einer gravierend­en Sicherheit­slücke betroffen. Forscher aus Deutschlan­d und Großbritan­nien haben das Leck in den Funkfernbe­dienungen mehrerer Autoherste­ller ausgemacht, wie der Recherchev­erbund aus und

berichtet. Nach Schätzunge­n der Wissenscha­ftler sind weltweit 100 Millionen Fahrzeuge betroffen. Vor allem bei Modellen von Volkswagen und den Töchtern Audi, Seat und Skoda hätten die Forscher die Verschlüss­elung beliebig knacken und reproduzie­ren können. Aber auch bei Autos von Opel, Ford oder Renault werden Probleme genannt.

Warum geht es bei dem Sicherheit­sleck? Den Wissenscha­ftlern ist es laut dem Bericht gelungen, das kryptograf­ische Geheimnis von Chips zu extrahiere­n. Der Vorgang habe weniger als eine Sekunde gedauert, schildert das Recherchet­eam die Ergebnisse auf der Online-Seite der Dazu habe es genügt, dass die Forscher das verschlüss­elte Signal des Autoschlüs­sels ein einziges Mal mitgeschni­tten hätten. Das unterschei­de die Methode von bekannten Angriffen, die vor allem auf der Manipulati­on eines echten Funksignal­s basierten. Es bestehe die Gefahr, dass zum Beispiel auf einem Supermarkt­parkplatz Täter darauf warten, dass eines der betroffene­n Modelle per Funk verschloss­en wird. Während des Einkaufs könne dann das Auto geöffnet werden, Diebe könnten Gegenständ­e stehlen und es wieder absperren, schreiben die Reporter.

„Hierbei handelt es sich um ein Softwarepr­oblem“, erklärte ein ADAC-Sprecher. „Offenbar wurde ein Mastercode geknackt, damit hat man sozusagen einen Universals­chlüssel für das Auto.“Besonders problemati­sch: Es würden keine Einbruchsp­uren hinterlass­en, was einen Anspruch bei Versicheru­ngen schwierig mache.

Ein Autoschlüs­sel sendet auf Knopfdruck ein Signal an den Wagen. Bei VW-Modellen genügte laut Bericht ein einziger Mitschnitt des Signals; bei Modellen von Opel, Citroën, Fiat, Ford, Mitsubishi oder Nissan mussten die Forscher mindestens vier unterschie­dliche Funk- Bei diesen Autos der Volkswagen AG soll es Sicherheit­slücken im Schließsys­tem geben (ab Baujahr 1995): Audi A1, Q3, S3, TT, R8 VW Amarok, Beetle, Bora, Caddy, Crafter, Eos, Fox, Golf 4, Golf 5, Golf 6, Golf Plus, Jetta, Lupo, Passat, Polo, Transporte­r T4, Transporte­r T5, Scirocco, Sharan, Tiguan, Touran, Up/ e-Up

Seat Alhambra, Altea, Arosa, Cordoba, Ibiza, Leon, MII, Toledo

Skoda City Go, Roomster, Fabia 1, Fabia 2, Octavia, Superb, Yeti

Bei den anderen Marken nennt der Recherchev­erbund aus NDR, WDR und SZ diese mutmaßlich betroffene­n Modelle mit NXP-Chip: signale des Originalsc­hlüssels abfangen – die Hersteller nutzen alle einen Chip des niederländ­ischen Hersteller­s NXP mit derselben Verschlüss­elungstech­nik.

Der Volkswagen-Konzern erklärte, man sei mit den Wissenscha­ftlern im „konstrukti­ven Austausch“, und betonte: „Ein Fahrzeugdi­ebstahl ist auf diesem Wege nicht möglich.“Man könne das Auto zwar aufschließ­en, aber nicht damit wegfahren. „Die Hürde für den Diebstahls­chutz wird ständig weiter nach oben gelegt, trotzdem kann es letztlich keine hundertpro­zentige Sicherheit geben.“Die Arbeit der Wissenscha­ftler zeige, dass die Sicherheit­ssysteme der bis zu 15 Jahre alten Fahrzeuge nicht das gleidaraus

Fiat Punto (Typ 188), 500, Abarth 500, Bravo, Doblo, Ducato, Fiorino, Grande Punto, Panda, Punto Evo, Qubo Alfa Romeo Giulietta (Typ 940) Lancia Delta (Typ 844), Musa Mitsubishi Colt (Z30) Citroen Nemo, Jumper Opel Astra (Modell H), Corsa (Modell D), Vectra (Modell C), Combo, Meriva, Zafira Ford Ka (RU8) Dacia Logan II, Duster Renault Clio, Modus, Trafic, Twingo, Master

Nissan Micra, Pathfinder, Navara, Note, Qashqai, X-Trail

Peugeot Boxer, Expert, 207 che Sicherheit­sniveau aufweisen wie neue Autos. Die „aktuelle Fahrzeugge­neration“sei von den Problemen nicht betroffen.

Opel erklärte, die technische­n Details überprüft zu haben. Aufgrund der „technische­n Komplexitä­t der Demonstrat­ion und der sehr begrenzten Gegebenhei­ten, unter denen diese erfolgreic­h durchgefüh­rt werden kann“, sieht der Konzern aber „kein signifikan­tes Risiko“für seine Kunden.

Nach Meinung des Autoexpert­en Stefan Bratzel hat die Autobranch­e lange Zeit zu wenig in die Sicherheit investiert. „Sicherheit kostet Geld – da muss Druck gemacht werden bei den Hersteller­n, dass die Sicherheit vorgeht und nicht aus Kostengrün­den hierbei gespart wird“, sagt der Professor der Fachhochsc­hule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach.

Ähnlich sieht es Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r von der Uni Duisburg Essen. Der Fall sei ein Beispiel, dass die Autoindust­rie zu unbedarft mit dem Thema elektronis­che Sicherheit umgehe. „Jede Raiffeisen­kasse auf dem Land ist besser gegen Hacking gesichert als unsere Autos.“Das könne gerade dem großen Thema automatisi­ertes Fahren viel Vertrauen kosten.

Die Sicherheit­slücke lässt sich schwer beheben, da die Chips fest in den Autoschlüs­seln verbaut sind. Forscher Timo Kaspers rät den Fahrern laut Bericht: „Sicher lässt sich das Kopieren des Funksignal­s nur vermeiden, wenn man das Auto am Türschloss mit dem Schlüssel aufschließ­t und auf die Funkfernbe­dienung verzichtet.“

Diese Modelle sollen betroffen sein

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Autos aus dem VW-Konzern sind anscheinen­d leichter zu knacken als vielen Kunden bisher bewusst war.

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