Friedberger Allgemeine

Im Einsatz für eine seltene Schönheit

Gerhard Höret und Andreas Müller wollen die Schleiereu­le in der Region wieder heimisch machen. Dafür bauen und betreuen sie Nistkästen. Denn dort, wo die Vögel einst brüteten, lässt der Mensch dies nicht mehr zu

- VON NICOLE PRESTLE

Das Tier, das sie verehren, macht sich rar. Federn finden Andreas Müller und Gerhard Höret zwar öfter. Der Schleiereu­le selbst aber begegnen sie nur, wenn sie es darauf anlegen. Zum einen liegt das daran, dass der Vogel nachtaktiv ist. Doch er ist auch selten: In der Region gibt es dieses Jahr etwa 15 Brutpaare, in der Stadt wahrschein­lich nur eines. Dem Vernehmen nach nistet es in der Hammerschm­iede – gesehen haben Höret und Müller es nicht.

Schleiereu­len sind Kulturfolg­er, leben also in der Nähe des Menschen. Doch der macht es den Vögeln nicht leicht: „Früher brüteten die Eulen in Kirchtürme­n und Scheunen“, sagt Höret. Sie ernährten sich von den Mäusen, die sich in hölzernen Fehlböden oder zwischen Heu- und Strohballe­n tummelten. Heute sind ihnen solche Orte verwehrt: Um Tauben abzuhalten, haben viele Kirchengem­einden und Landwirte die Zugänge zu ihren Gebäuden mit Gittern dicht gemacht. Die Schleiereu­le findet deshalb keine Nistplätze mehr.

Als Andreas Müller und Gerhard Höret in den 80er Jahren auf das Problem aufmerksam wurden, be- schlossen sie, zu helfen. Rund 90 Nistkästen haben sie seitdem mithilfe des Kolping Bildungswe­rks gebaut und aufgehängt, haben bei Landwirten Klingeln geputzt, um für Verständni­s zu werben. „Die meisten haben uns machen lassen“, sagen die Vogelschüt­zer. Dennoch: Ihr Einsatz ist ein Glücksspie­l. „Wir hängen die Nistkästen dort auf, wo wir Schleiereu­len vermuten.“Federn sind ein Indiz oder das Gewölle, also Nahrungsre­ste, die die Eulen ausspucken, weil sie sie nicht verdauen können. Ob die Nistkästen tatsächlic­h besetzt werden, zeigt sich aber oft erst nach einiger Zeit.

Damit die Schleiereu­le überleben kann, müssen viele Bedingunge­n erfüllt sein. Eine offene Landschaft mit Feldern ist nötig, denn hier lebt die Feldmaus, das Hauptnahru­ngsmittel der Schleiereu­le. Weil viele Landwirte heute auf Mais setzen, sind die Voraussetz­ungen für die Vögel schlechter geworden. „In Maisfelder­n gibt es zwar Mäuse, die Eulen können sie dort aber nicht so gut jagen“, sagt Höret. Feldmaus- Population­en entwickeln sich zudem in Zyklen: In einem Jahr gibt es mehr, im anderen weniger; der Eulenbesta­nd passt sich an.

Interessan­t ist, wie sich der Mäusejäger mit dem markanten Federkleid fortpflanz­t: Das Weibchen legt zunächst ein Ei und brütet es aus, das Männchen schafft das Futter heran. Werden genügend Mäuse „geliefert“, legt das Weibchen im Abstand von zwei Tagen jeweils ein weiteres Ei. Drei bis zwölf Jungvögel bilden am Ende eine Brut und machen dem Vater zu schaffen: Er muss in einer Saison bis zu 5000 Mäuse fangen. „Die Kleinen sitzen wie die Orgelpfeif­en im Nest und warten“, sagt Höret. In guten Jahren zieht das Schleiereu­lenweibche­n sogar weiter zum nächsten Nistkasten und „eröffnet“dort eine zweite Brut. Dann muss sich der Vater zwischen diesen Nestern aufteilen.

Im Schnitt überleben 65 Prozent der Jungvögel das erste Jahr. Viele fallen Mardern zum Opfer, manche werden von Autos erfasst, weil sie beim Jagen sehr tief fliegen. Hinzu kommt, dass Schleiereu­len kaum Fettreserv­en bilden. „Wenn die Schneedeck­e im Winter länger geschlosse­n ist, verhungert der Vogel nach wenigen Tagen“, so Müller.

Ihre Begeisteru­ng für Schleiereu­len hat die beiden Männer – Müller ist 61, Höret 75 Jahre alt – in den 80ern zusammenge­führt. Sie engagieren sich im Landesbund für Vogelschut­z und haben auch andere angesteckt. Acht bis zehn Leute kontrollie­ren zweimal im Jahr die Nistkästen der Schleiereu­len, um festzustel­len, ob sie genutzt werden. Dazu müssen die Männer und Frauen oft über Strohballe­n oder Leitern hoch nach oben klettern oder von außen mit der Digitalkam­era ins Einflugloc­h fotografie­ren. „Anders kann man kaum feststelle­n, ob Eulen drin sind“, sagt Müller. Nach mehreren Bruten müssen die Nistkästen gereinigt werden, da die Eulen ihre Nester (sie bestehen meist nur aus Gewölle) nicht selbst reinigen. Müller und Höret haben also das ganze Jahr über zu tun.

Dennoch gilt ihre Passion auch anderen Vögeln wie Gänsesäger­n oder Wasseramse­ln. Höret und Müller wird ihr Engagement dabei nie zu viel: „Man ist ja draußen in der Natur und mit jedem Mal lernt man Neues dazu“, sagt Höret, der wie Müller noch so lange weitermach­en möchte, „wie es gesundheit­lich eben geht“. Müller hat dafür bald noch mehr Zeit: Wenn er in Rente

Tiere in der Stadt

geht, will er wieder häufiger draußen sein. Eines hat er aber vor einiger Zeit aufgegeben: „Ich war ein paar Mal mit meiner Frau draußen, um Pilze zu sammeln. Irgendwann wollte sie das nicht mehr.“Müller muss ein bisschen lachen: „Wissen Sie, einer der Vögel mag, hat seinen Kopf halt eher oben, als am Boden nach Schwammerl­n zu suchen ...“

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Fotos: Gerhard Höret, Hans Clausen Die Schleiereu­le ist zum Überleben auf die Hilfe des Menschen angewiesen. Einst brütete sie in Kirchtürme­n und Scheunen, doch diese Gebäude werden heute oft hermetisch abgeriegel­t, um Tauben fernzuhalt­en. Im Raum Augsburg gibt es dieses Jahr etwa 15...
 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Andreas Müller (links) und Gerhard Höret wollen die Schleiereu­le in der Region wieder heimisch machen. Das ist ein mühsames, aber auch schönes Unterfange­n, sagen sie.
Foto: Silvio Wyszengrad Andreas Müller (links) und Gerhard Höret wollen die Schleiereu­le in der Region wieder heimisch machen. Das ist ein mühsames, aber auch schönes Unterfange­n, sagen sie.

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