Nicht nur Vesper geht in Rio baden
Michael Vesper ist in Rio de Janeiro der Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft und damit Ansprechpartner für alles rund um das Team. Am Wochenende unterlief ihm ein Missgeschick, das gut zur aktuellen Situation passt. Vesper fiel in den Pool des deutschen Hauses und gab damit einen unfreiwillig-symbolischen Beitrag zur Lage. Deutschland läuft Gefahr, in Brasilien baden zu gehen.
Das liegt vor allem daran, dass die Schwimmer – mit ihren über 30 Wettbewerben ein Haupt-Olympiabestandteil – wie schon vor vier Jahren in einen Sog der Unzulänglichkeit gerieten. Die erhoffte Wende blieb aus. Es ist eher noch schlechter geworden. Die wenigen Medaillenkandidaten konnten ihre Kollegen nicht mitreißen, sondern verdüsterten das Bild der Lage.
Aufbruchsstimmung vermittelten dagegen die Schützen. Sie haben mit einer schnellen Medaille ihr Trauma von London abgehakt und sind zu großer Form aufgelaufen. Auch auf die Reiter und Ruderer ist bei Olympia ebenso traditionell Verlass wie auf die Rennkanuten. Sie haben zwar gerade erst begonnen, aber es ist kein Hellseher nötig, um Medaillen im halben Dutzend vorherzusagen.
Die Bilanz von London, in der die 44 (elf Gold, 19 Silber, 14 Bronze) schon keine deutsche Glückszahl war, könnte dennoch zur unerreichbaren Marke werden, haben Vesper und Co. bereits mitgeteilt und damit die Diskussionen um Veränderungen neu entfacht.
Aus der Sicht vieler Sportler ist die Lösung einfach. Sie erwecken den Anschein, dass mit einem finanziellen Befreiungsschlag alles besser wird. Allein mit dem Ruf danach wird sich das Bundesinnenministerium als Hauptgeldgeber nicht davon überzeugen lassen, seine Mittel aufzustocken. Nach einem schlechten Gesamtergebnis in Rio muss auch innerhalb des Sports die Bereitschaft wachsen, sich von lieb gewonnenen Strukturen zu verabschieden.
Das klingt vernünftig, ist aber vor Ort häufig nicht zu vermitteln. Wenn ein Bundesstützpunkt geschlossen werden soll, um die Kräfte andernorts zu bündeln, wird die geballte Lokalmacht aktiviert, um den Status quo zu wahren. Das Prinzip des heiligen St. Florian hat auch im Sport seine Gültigkeit.