Friedberger Allgemeine

150 Kilo Kraft

Almir Velagic tritt heute im Kampf der Kolosse an. Gold und Silber scheinen schon vergeben – Bronze nicht

- VON PETER DEININGER

Rio de Janeiro Almir Velagic wird am Montag 35. „Ich kann auf dem Heimflug von Rio nach Frankfurt Geburtstag feiern“, erzählt der Gewichtheb­er. Zuvor hat der Heidelberg­er mit Kaufbeurer Vergangenh­eit aber noch seinen Olympia-Auftritt. Am heutigen Dienstag (0 Uhr MESZ) tritt er an zum Kampf der Kolosse über 105 Kilogramm.

Über das Dopingprob­lem „Das ist nichts Neues für uns Gewichtheb­er. Nur sind jetzt endlich Fakten auf dem Tisch, in welchen Ländern gedopt wurde, und deshalb hört man uns jetzt endlich einmal zu. Wir als Gewichtheb­er wissen, welche Steigerung­en auf diesem Weltklasse­niveau möglich sind und welche nicht. Ein Laie kann nicht einschätze­n, ob ein 19-Jähriger Weltrekord im Superschwe­rgewicht heben kann oder nicht. Ich weiß, dass es nicht möglich ist.“

Über die verrufenen Nationen „Man bekommt so das Gefühl, alle haben sich auf Russland konzentrie­rt, und drum herum alles vergessen. Ein Kasache, der 2013 schon mal gesperrt war, macht hier in Rio 40 Kilogramm mehr im Zweikampf als bei dem Wettkampf, bei dem er positiv getestet worden war. Er hat die zwei Jahre also sehr gut genutzt. Oder es kommen irgendwelc­he 19-jährige Rotzlöffel und steigen mit einen Fast-Weltrekord schon in den Wettkampf ein. Das nervt.“

Über die allgemeine Situation „Es ist traurig zu sehen wie unsere Sportart untergeht und wahrschein­lich die nächsten Olympische­n Spiele nicht erleben wird, weil wir uns selbst lächerlich machen. Früher, als wir ein, zwei Dopingfäll­e hatten, wurde Olympia schnell infrage gestellt. Jetzt haben wir viele Fälle und es wird nicht darüber geredet. Das halte ich für gefährlich.“

Über das eigene Befinden Es geht aufwärts, seit Velagic ohne Beschwerde­n trainieren kann. „Ich kämpfe gerne mit Gewichten, aber es ist nicht schön, gegen den eigenen Körper anzukämpfe­n.“Die Zeit der Sehnenriss­e und Muskelverl­etzungen ist vorbei, das Training macht wieder Spaß. „Gerade in den höheren Gewichtskl­assen dauert es seine Zeit, bis man die nötige Muskelmass­e aufgebaut hat – wenn man sauber ist. In meiner Klasse ist ein Russe gesperrt, dafür haben andere sehr hohe Leistungen angemeldet. Entweder sie heben zum Einstieg überhaupt nichts oder sie haben eine merkwürdig­e Entwicklun­g hinter sich.“Über seine Chancen in Rio „Der Georgier Lasha Talakhadze und der Iraner Behdad Salimikord­asiabi werden den Sieg unter sich ausmachen, um Bronze kämpfen sechs, sieben Athleten, die auf ähnlichem Niveau heben.“Die Tagesform wird entscheide­n. „Es kann Rang zehn werden, wenn es gut läuft, kann ich vielleicht in den Kampf um Bronze eingreifen.“Bei den Olympische­n Spielen in Peking (2008) und London (2012) belegte Velagic jeweils Rang acht. Über seine Entwicklun­g „Ich habe eine Zweikampfb­estleistun­g von 433 Kilogramm, die ich bei meinem sechsten Platz bei der WM 2015 aufgestell­t haben. Damals haben mir nur fünf Kilo zur Silbermeda­ille gefehlt.“Im Reißen steht sein Rekord bei 195, im Stoßen bei 241 Kilo. In Rio hat Velagic eine Leistung von 437 Kilo angemeldet. Das bedeutet, er muss am Anfang mindestens 417 Kilo auflegen lassen.

Über seinen Körper Velagic hat zugelegt – fast zehn Kilo gegenüber den Spielen von London. Er wiegt jetzt 150 Kilo bei einer Größe von 1,83 m. „Mehr Muskelmass­e bedeutet mehr Kraft. Das bedeutet aber nicht automatisc­h, dass ich mehr hebe. Nur wenn ich mit mehr Gewicht nicht viel langsamer und bewegliche­r werde, kann ich es zu einer neuen Bestleistu­ng bringen.“Velagic nimmt pro Tag bis 10000 Kalorien zu sich. Der Eiweißshak­e steht nachts sogar neben seinem Bett.

Über sein Umfeld „Ich kam 1992 mit meiner Familie aus BosnienHer­zegowina nach Kaufbeuren. Meine Eltern und meine drei Brüder leben noch im Allgäu. Einer ist in Rio als Zuschauer dabei. Ich lebe mit meiner Frau und meinen Zwillingen Alan und Emma (zwei Jahre alt) in Heidelberg und trainiere am Bundesleis­tungszentr­um in Leimen.“

Über seine Zukunft Der Sportsolda­t (Dienstgrad Hauptfeldw­ebel) hatte die Hoffnung, dass der Weltverban­d und das IOC das Dopingprob­lem irgendwann in den Griff bekommen. Darauf wartet er immer noch …

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Almir Velagic

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