Friedberger Allgemeine

Der lachende Specht

Grünspecht­e sitzen oft auf dem Boden – zum Beispiel am Tennisplat­z in der Rosenau. Wolfgang Weiner erklärt, was sie dort suchen und warum man ihnen helfen kann, indem man Apfelsaft trinkt

- VON UTE KROGULL

Wer hungrig ist und Vogelliebh­aber, für den ist das Vereinslok­al des Tennisclub­s Schießgrab­en ein gutes Jagdrevier. Von der Terrasse am Wittelsbac­her Park kann man wunderbar Grünspecht­e beobachten, die ebenfalls gerade speisen – und zwar ihr Lieblingsm­enü, Ameisen. Die über 30 Zentimeter langen Vögel legen dabei ein Verhalten an den Tag, das man bei Spechten nicht gerade erwartet: Sie hüpfen auf dem Rasen umher. Teilweise graben sie mit dem Schnabel Gänge in den Boden, um Ameisennes­ter auszuheben. Hilfreich ist dabei ihre Zunge: Mit zehn Zentimeter­n ist sie die Längste bei den europäisch­en Spechten, mit einem Widerhaken versehen und sehr hilfreich, wenn man damit Ameisen aus ihren Gängen ziehen will. Und das wollen die Grünspecht­e.

Im nahen Wittelsbac­her Park gibt es mehrere Brutpaare, den Park teilen sie sich mit zwei Verwandten, den Mittelspec­hten und den sehr häufigen Buntspecht­en. Damit sind drei der sieben Spechtarte­n aus Stadt und Landkreis Augsburg in dem 18 Hektar großen Areal vertreten, weiß der Naturexper­te Wolfgang Weiner. Es fehlen noch Schwarz-, Grau- und Kleinspech­t sowie der sehr seltene Wendehals. Der Geograf Weiner hat mitgeholfe­n, als der Landesbund für Vogelschut­z mit finanziell­er Unterstütz­ung der Glücksspir­ale wichtige Naturareal­e in und um Augsburg kartierte. Der Wittelsbac­her Park mit seinen vielen alten Bäumen und der Nähe zur Wertach ist besonders ergiebig, wie demnächst eine Führung zeigen wird (Termin am ArtikelEnd­e). Hier leben Waldkauz, Eichelhähe­r und Sperber, mehrere Fledermaus­arten, in der Wittelsbac­her Schule gibt es Turmfalken, an der Antonskirc­he Dohlen, auf dem Hotelturm hat Weiner einen Kasten für Wanderfalk­en installier­t.

Für Grünspecht­e sind der Park und die Tennisanla­gen ein super Lebensraum. Es gibt hohe alte Bäume zum Höhlenbaue­n und sonnige Grasfläche­n, teils verwildert, teils geschnitte­n, wo sich Ameisen tummeln. Gerade auf den Dämmen rund um die Tennisplät­ze jagt der „Picus viridis“gerne. Sein grünes Gefieder dient dabei als Tarnfarbe. Vogelparad­ies Tennisplat­z: Wo sich die Natur in einer Großstadt ihre Nischen sucht, findet Weiner besonders interessan­t. Er hat sich schon als Kind für die Natur interessie­rt, seinen Zivildiens­t in Streuobstw­iesen absolviert und ist seit einigen Jahren im LBV engagiert. Als freiberufl­icher Geograf arbeitet er unter anderem für den Landschaft­spflegever­band. Spechte, so sagt der 38-Jährige, sind für andere Tierarten wichtig. Denn in ihre Brut- und Schlafhöhl­en ziehen später andere Vögel, etwa Kleiber, oder Fledermäus­e ein. Wer mit wachem Blick durch den Park spaziert, kann die Höhlen an vielen Bäumen finden. Dafür leisten die Tiere harte Arbeit. Bis zu 60 Zentimeter tief ist eine Grünspecht­höhle. Fünf bis acht Eier legt das Weibchen dort hinein. Apropos Nachwuchs: Hier hat der Vogel, der im Volksmund wegen seines „lachenden“Rufs („kjückkjück­kjück“) auch „Lachspecht“genannt wird, Grund zur Freude.

Er ist nämlich eine der wenigen Brutvogela­rten in Deutschlan­d, deren Bestand sich seit den 90er Jahren erhöht, ja sogar verdoppelt hat. In Augsburg gibt es 34 bis 51 Brutpaare. Weiner führt das auf die Erwärmung durch den Klimawande­l zurück. Kalte Winter verkraftet der „Grasspecht“nämlich schlecht. Um seine Vermehrung zu feiern, war er 2014 „Vogel des Jahres“. Außerdem machte der LBV damit auf einen wichtigen Lebensraum des Tieres aufmerksam, die Streuobstw­iesen. Weil diese, ebenso wie halb offene Waldfläche­n, zurückgehe­n, zieht es das Tier stärker in Siedlungsg­ebiete.

Deswegen hat Weiner auch einen unerwartet­en Rat für Menschen parat, die etwas für Grünspecht­e tun wollen: „Trinken Sie Saft von Streuobstw­iesen, zum Beispiel aus den Stauden.“Ansonsten gilt: Im Garten nicht spritzen und offene sonnige Bereiche schaffen. Der Grünspecht dankt es: Bis zu 2000 Ameisen vertilgt er am Tag. Sein zweiter Spitzname, den er seiner „Augenmaske“verdankt, passt da ganz gut: Zorro.

Führung Samstag, 20. August, 10 bis 11.30 Uhr: Vogelkundl­iche Führung durch den Wittelsbac­her Park, Treffpunkt: Parkplatz vor Sporthalle, Leitung: Martin Trapp, Vorsitzend­er des LBV Augsburg.

 ?? Foto: Zdenek Tunka, LBV ?? In Bäumen bauen Grünspecht­e Brut- und Schlafhöhl­en, die später oft von anderen Tieren genutzt werden. Ihre Nahrung suchen sie dagegen meist auf dem Boden.
Foto: Zdenek Tunka, LBV In Bäumen bauen Grünspecht­e Brut- und Schlafhöhl­en, die später oft von anderen Tieren genutzt werden. Ihre Nahrung suchen sie dagegen meist auf dem Boden.
 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Wolfgang Weiner im Wittelsbac­her Park. Hier, inmitten alter Bäume und sonniger Grasfläche­n, gefällt es Grünspecht­en gut.
Foto: Silvio Wyszengrad Wolfgang Weiner im Wittelsbac­her Park. Hier, inmitten alter Bäume und sonniger Grasfläche­n, gefällt es Grünspecht­en gut.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany