Einkaufen ohne Plastik, Kunststoff und Kartons
Im neuen „Ruta Natur“-Markt wird auf Verpackungsmaterial komplett verzichtet. Wie es funktioniert
Es scheint so, als hätten Blaumohn, braune Pintobohnen, Goldleinsamen, rote Nierenbohnen und Erdmandeln nur darauf gewartet, eines Tages endlich in einem verpackungsfreien Laden stolz ihre Schönheit zur Schau stellen zu dürfen. Aufgereiht in großen Glasspendern neben etlichen Getreide-, Reis- und Nusssorten leuchten sie in verschiedenen Farben. Große, braune Gläser mit allerlei Kräutern und Teesorten erinnern an Apotheken und Teegeschäfte aus einer anderen Zeit.
Es ist ein bisschen wie in einem kleinen Museum der Naturschönheiten im ersten verpackungsfreien Lebensmittel- und Haushaltswarenladen der Stadt, auf dessen Eröffnung viele Menschen gewartet haben. Am Samstag war es soweit: „Ruta Natur“in der Prinzregentenstraße hat seine Türen geöffnet. Die Waren – Gemüse, Brot- und Backwaren, Obst und eine große Auswahl an Getreide, Reis, Nüssen und Co. – sind alle biozertifiziert. Zudem gibt es viele andere Dinge des täglichen Bedarfs, eine gute Idee zum Abfallsparen sind etwa Kanister und wiederbefüllbare Flaschen für Waschmittel. Wer für sein Obst und Gemüse doch eine Verpackung möchte, kann sich eine Tüte aus naturverträglich hergestelltem Recycling-Papier nehmen. Endlich nicht mehr Äpfel, Zucchini oder andere Lebensmittel aus so viel Folie und Karton auspacken müssen, dass man hinterher einen größeren Berg an Verpackungsmüll als an Lebensmitteln vor sich hat, sagen die Besucher am Samstag. Zumal für Verpackungen jede Menge Ressourcen benötigt werden: Holz für Karton und Papier, fossiles Öl für Kunststoffverpackungen, manchmal immerhin gemischt mit Recycling-Material. Plastikmüll ist weltweit ein großes Thema geworden.
Viele Menschen haben Bilder von Ozeanen, die in erschreckendem Ausmaß mit Kunststoffverpackungen verschmutzt sind, vor Augen und möchten gerne auf Verpackungen verzichten. Nur: Im Supermarkt hat man es mit diesem Vorsatz oft nicht leicht.
Das Rentnerehepaar Rudolf und Rosemarie Wagner ist deshalb angetan vom neuen Laden und möchte künftig regelmäßig hier einkaufen. Auch die Studentin Kristine Hemrich hat sich schon lange auf einen verpackungsfreien Laden in Augsburg gefreut. Nachdem sie das Konzept in Berlin gesehen hat, unterstützte sie gleich in München eine Crowdfunding-Kampagne für ein solches Geschäft. Sie findet, dass die Wertschätzung für Lebensmittel steigt, wenn man gute Produkte kauft. „Und durch das Selbst-Befüllen und Plastikmüll-Einsparen gibt es einem gleich ein noch besseres Gefühl“, sagt die 24-Jährige. Dass sie für gute Qualität ein bisschen mehr bezahlt als im Supermarkt, ist es ihr wert. Sie versucht, sich insgesamt in ihrem Lebensstil zu reduzieren: „Lieber wenige Dinge besitzen und kaufen, dafür aber gute.“
Das ist auch die Einstellung von Ramona Dorner, der Inhaberin und Gründerin von Ruta Natur, dem „natürlichen Weg“. Seit einigen Jahren beschäftigt sich die 30-Jährige mit einem umweltbewussten Leben, die vergangenen Jahre hat sie in Nürnberg bei einem ökologischen Reiseveranstalter gearbeitet. Im letzten Jahr, erzählt die gebürtige Deggendorferin und gelernte Glasbildnerin und Reisekauffrau, kam dann der Moment, in dem sie etwas Neues, Eigenes machen wollte.
Sie sah sich verpackungsfreie Läden in Kiel und Berlin an und wusste, dass sie für diese Geschäftsidee den Sprung in die Selbstständigkeit wagen will. Für Augsburg hat sie sich entschieden, weil sie die Stadt als nachhaltigkeitsaffin empfindet – und, weil ihr Partner hier lebt, der im Übrigen die Ladeneinrichtung gebaut hat: Schöne Holzregale mit gläsernen Warenspendern, aus denen man sich die Produkte in ein mitgebrachtes Behältnis (wird vorund nachher gewogen) abfüllen kann. Wer nichts dabei hat, kann Baumwollbeutel, Dosen und Gläser kaufen und befüllen – und dann vielleicht zu Hause ein eigenes kleines Naturmuseum mit Pintobohnenund Blaumohn-Parade starten.