Friedberger Allgemeine

Einkaufen ohne Plastik, Kunststoff und Kartons

Im neuen „Ruta Natur“-Markt wird auf Verpackung­smaterial komplett verzichtet. Wie es funktionie­rt

- VON JOSHENA DIESSENBAC­HER

Es scheint so, als hätten Blaumohn, braune Pintobohne­n, Goldleinsa­men, rote Nierenbohn­en und Erdmandeln nur darauf gewartet, eines Tages endlich in einem verpackung­sfreien Laden stolz ihre Schönheit zur Schau stellen zu dürfen. Aufgereiht in großen Glasspende­rn neben etlichen Getreide-, Reis- und Nusssorten leuchten sie in verschiede­nen Farben. Große, braune Gläser mit allerlei Kräutern und Teesorten erinnern an Apotheken und Teegeschäf­te aus einer anderen Zeit.

Es ist ein bisschen wie in einem kleinen Museum der Naturschön­heiten im ersten verpackung­sfreien Lebensmitt­el- und Haushaltsw­arenladen der Stadt, auf dessen Eröffnung viele Menschen gewartet haben. Am Samstag war es soweit: „Ruta Natur“in der Prinzregen­tenstraße hat seine Türen geöffnet. Die Waren – Gemüse, Brot- und Backwaren, Obst und eine große Auswahl an Getreide, Reis, Nüssen und Co. – sind alle biozertifi­ziert. Zudem gibt es viele andere Dinge des täglichen Bedarfs, eine gute Idee zum Abfallspar­en sind etwa Kanister und wiederbefü­llbare Flaschen für Waschmitte­l. Wer für sein Obst und Gemüse doch eine Verpackung möchte, kann sich eine Tüte aus naturvertr­äglich hergestell­tem Recycling-Papier nehmen. Endlich nicht mehr Äpfel, Zucchini oder andere Lebensmitt­el aus so viel Folie und Karton auspacken müssen, dass man hinterher einen größeren Berg an Verpackung­smüll als an Lebensmitt­eln vor sich hat, sagen die Besucher am Samstag. Zumal für Verpackung­en jede Menge Ressourcen benötigt werden: Holz für Karton und Papier, fossiles Öl für Kunststoff­verpackung­en, manchmal immerhin gemischt mit Recycling-Material. Plastikmül­l ist weltweit ein großes Thema geworden.

Viele Menschen haben Bilder von Ozeanen, die in erschrecke­ndem Ausmaß mit Kunststoff­verpackung­en verschmutz­t sind, vor Augen und möchten gerne auf Verpackung­en verzichten. Nur: Im Supermarkt hat man es mit diesem Vorsatz oft nicht leicht.

Das Rentnerehe­paar Rudolf und Rosemarie Wagner ist deshalb angetan vom neuen Laden und möchte künftig regelmäßig hier einkaufen. Auch die Studentin Kristine Hemrich hat sich schon lange auf einen verpackung­sfreien Laden in Augsburg gefreut. Nachdem sie das Konzept in Berlin gesehen hat, unterstütz­te sie gleich in München eine Crowdfundi­ng-Kampagne für ein solches Geschäft. Sie findet, dass die Wertschätz­ung für Lebensmitt­el steigt, wenn man gute Produkte kauft. „Und durch das Selbst-Befüllen und Plastikmül­l-Einsparen gibt es einem gleich ein noch besseres Gefühl“, sagt die 24-Jährige. Dass sie für gute Qualität ein bisschen mehr bezahlt als im Supermarkt, ist es ihr wert. Sie versucht, sich insgesamt in ihrem Lebensstil zu reduzieren: „Lieber wenige Dinge besitzen und kaufen, dafür aber gute.“

Das ist auch die Einstellun­g von Ramona Dorner, der Inhaberin und Gründerin von Ruta Natur, dem „natürliche­n Weg“. Seit einigen Jahren beschäftig­t sich die 30-Jährige mit einem umweltbewu­ssten Leben, die vergangene­n Jahre hat sie in Nürnberg bei einem ökologisch­en Reiseveran­stalter gearbeitet. Im letzten Jahr, erzählt die gebürtige Deggendorf­erin und gelernte Glasbildne­rin und Reisekauff­rau, kam dann der Moment, in dem sie etwas Neues, Eigenes machen wollte.

Sie sah sich verpackung­sfreie Läden in Kiel und Berlin an und wusste, dass sie für diese Geschäftsi­dee den Sprung in die Selbststän­digkeit wagen will. Für Augsburg hat sie sich entschiede­n, weil sie die Stadt als nachhaltig­keitsaffin empfindet – und, weil ihr Partner hier lebt, der im Übrigen die Ladeneinri­chtung gebaut hat: Schöne Holzregale mit gläsernen Warenspend­ern, aus denen man sich die Produkte in ein mitgebrach­tes Behältnis (wird vorund nachher gewogen) abfüllen kann. Wer nichts dabei hat, kann Baumwollbe­utel, Dosen und Gläser kaufen und befüllen – und dann vielleicht zu Hause ein eigenes kleines Naturmuseu­m mit Pintobohne­nund Blaumohn-Parade starten.

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Foto: Michael Hochgemuth Ramona Dorner (links) eröffnete einen Laden für unverpackt­e Lebensmitt­el. Kundin Michaela Langner ist von der Idee begeistert.

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