Friedberger Allgemeine

Ohne Hilfe haben sie keine Chance

Rund ein Drittel der Bewohner in Augsburger Erstaufnah­men, Gemeinscha­ftsunterkü­nften und dezentrale­n Unterkünft­en dürften aktuell ausziehen. Warum viele von ihnen dort aber wohnen bleiben müssen

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Immer mehr Menschen ziehen nach Augsburg und brauchen eine Wohnung. Das treibt die Mieten in die Höhe und verknappt das Wohnungsan­gebot, was für immer mehr Menschen zum Problem wird, so auch für die Asylbewerb­er.

Zu jenen, die die angespannt­e Lage auf dem Wohnungsma­rkt betrifft, gehört der Syrer Rami mit seiner Frau und seiner Tochter. Demnächst wird das zweite Kind geboren. „Ich habe seit Ende 2015 die Anerkennun­g durch den Staat und dürfte aus der dezentrale­n Unterkunft der Stadt ausziehen, aber ich habe nichts gefunden.“Deswegen lebt er immer noch mit Asylbewerb­ern zusammen, die ebenfalls keine Wohnung finden oder noch auf einen Bescheid vom Bundesamt für Migration warten. Rami hatte inzwischen Glück, er hat dank Unterstütz­ung eine Wohnung gefunden, die er im Oktober beziehen kann.

Sein Glück ist vor allem auf das Engagement von Ursula Lesny zurückzufü­hren. Sie engagiert sich im Helferkrei­s der Barfüßerki­rche und besorgte die Wohnung. Als sie hörte, dass Nachbarn ausziehen, ging sie zum Vermieter und machte sich für die syrische Familie stark. Die Chance, aus dieser Situation alleine herauszuko­mmen, ist für die Betroffene­n gleich null, sagt unter anderem Sozialrefe­rent Stefan Kiefer: „Ohne die Hilfe, insbesonde­re durch die Helferkrei­se, die viel Zeit und Energie aufwenden, hätte fast keiner der 100 bisherigen Umzüge in eine eigene Wohnung geklappt.“

Dass es mühsam ist, Vermieter zu überzeugen, bestätigt auch Lesny. „Es gibt sehr viele Gründe, warum es nicht klappt. Einige Vermieter schreckt die Sprachbarr­iere. Andere winken ab, weil die Frau ein Kopftuch trägt und wieder andere Vermieter wollen niemanden, bei dem das Jobcenter die Miete zahlt. Dabei kommt die doch dann immer pünktlich“, berichtet die Seniorin.

Weil das Geld aber vom Amt kommt, kommen ohnehin nur bestimmte Wohnungen infrage. Der Einzug ist erst möglich, wenn das Jobcenter geprüft hat, ob die Wohnung nicht zu groß oder zu teuer ist. Lesny selbst stellt sich als Ansprech- partnerin bei Problemen zur Verfügung, was in einzelnen Fällen die Ablehnung des Vermieters aufgeweich­t hat. Syrer Rami hatte schon frustriert von den Erlebnisse­n der langwierig­en Wohnungssu­che überlegt, in eine andere Kommune umzuziehen. Mehrere Bekannte aus seiner Unterkunft gingen in andere Städte, nachdem sie die Anerkennun­g erhalten hatten, berichtet er. Allerdings hätten sie im Gegensatz zu ihm dort auch Bekannte oder Verwandte. „Ich bin froh, wenn ich mit meiner Familie endlich aus dem Zimmer in der Unterkunft der Stadt raus kann. In einer eigenen Wohnung ist es sauberer, ruhiger und wir haben mehr Platz.“

Etwa ein Drittel der Bewohner in den Erstaufnah­men, Gemeinscha­ftsunterkü­nften und dezentrale­n Unterkünft­en der Stadt und der Regierung von Schwaben dürften ausziehen, finden aber keine Wohnung. Im Behördende­utsch werden sie „Fehlbelege­r“genannt. Kiefer bewertet die Situation zwiegespal­ten. Der Stadt komme zugute, dass Wohnräume mit einer Größe und Ausstattun­g angemietet wurden, die längerfris­tig nutzbar sind, so rutschen die Menschen nicht in die Obdachlosi­gkeit. „Dennoch ist das Leben in den Unterkünft­en beengt und der Integratio­n wenig dienlich. Eine Unterbring­ung dort sollte nur vorübergeh­end erfolgen. Deshalb hat die Unterstütz­ung bei der Wohnungssu­che mittlerwei­le auch für die städtische­n Mitarbeite­r Priorität.“

Wenig Hoffnung auf eine schnelle Lösung kann auch Marc Dominik Hoppe, Chef der städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aft, machen. „Bei Vorliegen eines längerfris­tigen Aufenthalt­stitels und beim Nachweis der Mietkosten­deckung können sie sich gleicherma­ßen um eine WBGWohnung bewerben. Die Warteliste wächst aufgrund der Marktsitua­tion aber immer weiter.“

Mit der Vermittlun­g in eine eigene Wohnung ist es aber für Lesny und die 25 Mitstreite­r im Helferkrei­s Barfüßerki­rche nicht getan. „Wir haben fast noch mehr Kontakt als vorher, weil sie jetzt alleine wohnen und die Briefe der Behörden nicht verstehen.“Wenn mal wieder ein Anruf oder eine WhatsAppNa­chricht auf ihr Handy kommt, kümmert sich die Seniorin darum. Oft unterstütz­t vom Iraker Amer der vor 13 Jahren aus dem Irak nach Deutschlan­d floh und, wann immer möglich, dolmetscht. »Kommentar

Stadt Von den 1060 Flüchtling­en, die derzeit in städtische­n Unterkünft­en leben, hat rund ein Drittel eine Anerkennun­g und ist auszugsber­echtigt. Sozialrefe­rent Stefan Kiefer rechnet damit, dass in Augsburg über kurz oder lang 2000 oder mehr anerkannte oder geduldete Menschen dazukommen, die sich auf dem Wohnungsma­rkt umsehen. Ein Teil müsse aufgrund des Mangels an freien Wohnungen in den Sammelunte­rkünften bleiben.

Regierung von Schwaben In den Erstaufnah­men sind derzeit 53 Bewohner untergebra­cht. Davon sind 21 Bewohner anerkannte Bleibebere­chtigte. In den staatliche­n Gemeinscha­ftsunterkü­nften sind 832 Bewohner untergebra­cht. Anerkannt sind 170. (chmü)

Anerkannte Flüchtling­e

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