Ohne Hilfe haben sie keine Chance
Rund ein Drittel der Bewohner in Augsburger Erstaufnahmen, Gemeinschaftsunterkünften und dezentralen Unterkünften dürften aktuell ausziehen. Warum viele von ihnen dort aber wohnen bleiben müssen
Immer mehr Menschen ziehen nach Augsburg und brauchen eine Wohnung. Das treibt die Mieten in die Höhe und verknappt das Wohnungsangebot, was für immer mehr Menschen zum Problem wird, so auch für die Asylbewerber.
Zu jenen, die die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt betrifft, gehört der Syrer Rami mit seiner Frau und seiner Tochter. Demnächst wird das zweite Kind geboren. „Ich habe seit Ende 2015 die Anerkennung durch den Staat und dürfte aus der dezentralen Unterkunft der Stadt ausziehen, aber ich habe nichts gefunden.“Deswegen lebt er immer noch mit Asylbewerbern zusammen, die ebenfalls keine Wohnung finden oder noch auf einen Bescheid vom Bundesamt für Migration warten. Rami hatte inzwischen Glück, er hat dank Unterstützung eine Wohnung gefunden, die er im Oktober beziehen kann.
Sein Glück ist vor allem auf das Engagement von Ursula Lesny zurückzuführen. Sie engagiert sich im Helferkreis der Barfüßerkirche und besorgte die Wohnung. Als sie hörte, dass Nachbarn ausziehen, ging sie zum Vermieter und machte sich für die syrische Familie stark. Die Chance, aus dieser Situation alleine herauszukommen, ist für die Betroffenen gleich null, sagt unter anderem Sozialreferent Stefan Kiefer: „Ohne die Hilfe, insbesondere durch die Helferkreise, die viel Zeit und Energie aufwenden, hätte fast keiner der 100 bisherigen Umzüge in eine eigene Wohnung geklappt.“
Dass es mühsam ist, Vermieter zu überzeugen, bestätigt auch Lesny. „Es gibt sehr viele Gründe, warum es nicht klappt. Einige Vermieter schreckt die Sprachbarriere. Andere winken ab, weil die Frau ein Kopftuch trägt und wieder andere Vermieter wollen niemanden, bei dem das Jobcenter die Miete zahlt. Dabei kommt die doch dann immer pünktlich“, berichtet die Seniorin.
Weil das Geld aber vom Amt kommt, kommen ohnehin nur bestimmte Wohnungen infrage. Der Einzug ist erst möglich, wenn das Jobcenter geprüft hat, ob die Wohnung nicht zu groß oder zu teuer ist. Lesny selbst stellt sich als Ansprech- partnerin bei Problemen zur Verfügung, was in einzelnen Fällen die Ablehnung des Vermieters aufgeweicht hat. Syrer Rami hatte schon frustriert von den Erlebnissen der langwierigen Wohnungssuche überlegt, in eine andere Kommune umzuziehen. Mehrere Bekannte aus seiner Unterkunft gingen in andere Städte, nachdem sie die Anerkennung erhalten hatten, berichtet er. Allerdings hätten sie im Gegensatz zu ihm dort auch Bekannte oder Verwandte. „Ich bin froh, wenn ich mit meiner Familie endlich aus dem Zimmer in der Unterkunft der Stadt raus kann. In einer eigenen Wohnung ist es sauberer, ruhiger und wir haben mehr Platz.“
Etwa ein Drittel der Bewohner in den Erstaufnahmen, Gemeinschaftsunterkünften und dezentralen Unterkünften der Stadt und der Regierung von Schwaben dürften ausziehen, finden aber keine Wohnung. Im Behördendeutsch werden sie „Fehlbeleger“genannt. Kiefer bewertet die Situation zwiegespalten. Der Stadt komme zugute, dass Wohnräume mit einer Größe und Ausstattung angemietet wurden, die längerfristig nutzbar sind, so rutschen die Menschen nicht in die Obdachlosigkeit. „Dennoch ist das Leben in den Unterkünften beengt und der Integration wenig dienlich. Eine Unterbringung dort sollte nur vorübergehend erfolgen. Deshalb hat die Unterstützung bei der Wohnungssuche mittlerweile auch für die städtischen Mitarbeiter Priorität.“
Wenig Hoffnung auf eine schnelle Lösung kann auch Marc Dominik Hoppe, Chef der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, machen. „Bei Vorliegen eines längerfristigen Aufenthaltstitels und beim Nachweis der Mietkostendeckung können sie sich gleichermaßen um eine WBGWohnung bewerben. Die Warteliste wächst aufgrund der Marktsituation aber immer weiter.“
Mit der Vermittlung in eine eigene Wohnung ist es aber für Lesny und die 25 Mitstreiter im Helferkreis Barfüßerkirche nicht getan. „Wir haben fast noch mehr Kontakt als vorher, weil sie jetzt alleine wohnen und die Briefe der Behörden nicht verstehen.“Wenn mal wieder ein Anruf oder eine WhatsAppNachricht auf ihr Handy kommt, kümmert sich die Seniorin darum. Oft unterstützt vom Iraker Amer der vor 13 Jahren aus dem Irak nach Deutschland floh und, wann immer möglich, dolmetscht. »Kommentar
Stadt Von den 1060 Flüchtlingen, die derzeit in städtischen Unterkünften leben, hat rund ein Drittel eine Anerkennung und ist auszugsberechtigt. Sozialreferent Stefan Kiefer rechnet damit, dass in Augsburg über kurz oder lang 2000 oder mehr anerkannte oder geduldete Menschen dazukommen, die sich auf dem Wohnungsmarkt umsehen. Ein Teil müsse aufgrund des Mangels an freien Wohnungen in den Sammelunterkünften bleiben.
Regierung von Schwaben In den Erstaufnahmen sind derzeit 53 Bewohner untergebracht. Davon sind 21 Bewohner anerkannte Bleibeberechtigte. In den staatlichen Gemeinschaftsunterkünften sind 832 Bewohner untergebracht. Anerkannt sind 170. (chmü)
Anerkannte Flüchtlinge