Friedberger Allgemeine

Rollende Rendite mit Risiko

Ein Oldtimer kann mehrere hunderttau­send Euro wert sein. Aber sind die alten Autos wirklich als Geldanlage geeignet?

- VON MICHAEL EICHHAMMER Oldtimer-Termine

Der klassische Oldtimer-Fan hat einen starken emotionale­n Bezug zu seinem Fahrzeug. Oft handelt es sich um einen spät verwirklic­hten Kindheitst­raum auf Rädern. Zu den Nostalgike­rn der alten Schule gesellen sich heute immer mehr Menschen, die sich weder an der Ästhetik der klassische­n Formenspra­che erfreuen noch den Spaß zu schätzen wissen, gemächlich in einer rollenden Zeitmaschi­ne auf der Landstraße unterwegs zu sein. Die neue Klientel auf dem Markt für Fahrzeugle­genden betrachtet Oldtimer nüchtern – als Geldanlage. Nullzinspo­litik und Finanzkris­en fördern die Flucht in Sachwerte. Neben Aktien, Gold und Immobilien spielen dabei nostalgisc­he Autos eine zunehmende Rolle. Immerhin sind manche von ihnen mehrere hunderttau­send Euro wert. Auf der anderen Seite sind Pflege und Restaurati­on extrem aufwendig.

Die Oldtimer-Szene rümpft die Nase über diese Entwicklun­g. „Ein Auto wurde gebaut, um zu fahren“, weiß Peter Frey. „Wenn es nur rumsteht, leiden viele Teile darunter.“Der 64-Jährige ist der Vorsitzend­e des Oldtimer-Clubs Augsburg. Gegründet hat er diesen Zusammensc­hluss von Männern und Frauen mit Benzin im Blut 1982 gemeinsam mit seinem Freund Werner Petrak. Seinerzeit fand ein Dutzend Oldtimer-Fans Unterschlu­pf in einer Scheune, heute verfügen die 45 Mitglieder über eine Werkstatt in einem Industriep­ark.

Seit etwa fünf Jahren steigen die Preise für klassische Fahrzeuge permanent. Manche Modelle haben ihren Wert in dieser kurzen Zeitspanne bereits verdoppelt. „Investoren, die mit Oldtimern spekuliere­n, verderben den Markt, weil die Preise völlig überzogen in die Höhe getrieben werden“, findet Joachim Frank. Der 55-jährige Beamte im öffentli- chen Dienst ist Mitbegründ­er der Interessen­gemeinscha­ft Freunde alter Fahrzeuge Augsburg Stadt und Land. Frank ist überzeugt, dass dieser Hype wieder nachlassen wird, „spätestens, wenn die Zinsen wieder ansteigen“.

Er sieht das gelassen: „Dass die Autos von Jahr zu Jahr mehr Geld wert sind, ist für mich lediglich ein angenehmer Nebeneffek­t. Mir bereitet es Freude, wenn ich an einem alten Fahrzeug etwas selbst reparieren kann.“

Hervorrage­nde Preise erzielt nur ein fahrbereit­es Mobil in gutem Zustand mit lückenlose­n Papieren. Dabei ist ein gut erhaltenes Fahrzeug in Originalzu­stand für Sammler interessan­ter als ein gut restaurier­tes. So weit die Theorie. In der Praxis ist der Oldtimer-Markt jedoch voller Überraschu­ngen.

„Niemand kann heute mit Gewissheit sagen, was in zehn oder gar 20 Jahren ein gesuchter Oldtimer sein wird“, so Günter Weinhold aus Augsburg. Der Zweite Vorsitzend­e der Oldtimerfr­eunde Königsbrun­n sammelt historisch­e Motorräder und kennt die Unvorherse­hbarkeit des Marktes. Umso wichtiger ist es, sich intensiv mit der Materie vertraut zu machen.

Die Garagengol­dsucher stöbern in Oldtimerze­itschrifte­n, Tageszeitu­ngen und auf Internet-Plattforme­n wie Ebay. Auch ein Besuch auf Oldtimer-Märkten und in Autohäuser­n, die Klassiker in Kommission ausstellen, lohnt sich. So bekommt man ein Gespür dafür, ob das eigene Wunschauto in den Augen anderer eher ein Alltagsfah­rzeug ist oder Begehrlich­keiten weckt. Rat suchen kann man auch bei Sachverstä­ndigen wie Classic Data.

„Die Traumwagen von gestern sind das Garagengol­d von morgen“, erklärt Classic-Data-Pressespre­cher Marius Brune (49). Derzeit zeigt sich ein auffallend­es Interesse an sportliche­n Autos der 80er Jahre. Wer beim Stichwort Oldtimer an motorisier­te Kutschen wie aus Charlie-Chaplin-Filmen denkt, fällt auf ein Klischee herein: Um das H-Kennzeiche­n zu bekommen, welches einem Fahrzeug die Anerkennun­g als Kulturgut und seinem Besitzer Vorteile bei den Versicheru­ngskosten und der Kfz-Steuer beschert, muss ein Fahrzeug lediglich 30 Jahre alt und weitestgeh­end im Originalzu­stand sein. Der VW Golf 1 GTI beispielsw­eise ist bereits alt genug, um als Oldtimer anerkannt zu werden.

Der Oldtimer-Markt ist wie der Aktienmark­t von Schwankung­en betroffen: Nach starken Wertsteige­rungen kann selbst bei begehrten Modellen die Stagnation folgen. Andere Modelle wiederum werden überrasche­nd begehrt, die selbst Experten nicht auf dem Schirm hatten. Den wahren Oldtimer-Fans kann das egal sein, denn sie teilen die Einstellun­g von Marius Brune: „Abseits von nüchternen Zahlen ist die Freude am Fahren eines Autos, das einem gefällt, bereits ein Gewinn.“Spannender als ein Konto ohne Zinsen ist so ein Sportwagen oder ein Retro-Mobil mit nostalgisc­hem Charme auf alle Fälle.

 ?? Foto: Michael Eichhammer ?? Werner Petrak (links) und Peter Frey sind waschechte Oldtimer-Fans. Dass man sich die schönen alten Autos als reine Geldanlage zulegt – dafür haben sie kein Verständni­s. Außerdem sehen sie da Risiken.
Foto: Michael Eichhammer Werner Petrak (links) und Peter Frey sind waschechte Oldtimer-Fans. Dass man sich die schönen alten Autos als reine Geldanlage zulegt – dafür haben sie kein Verständni­s. Außerdem sehen sie da Risiken.

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