Friedberger Allgemeine

Wenn Zuschauen zur Gewohnheit wird

Als der FC Augsburg im Europapoka­l eine Sternstund­e erlebt, beginnt für Jan-Ingwer Callsen-Bracker wegen einer schweren Verletzung seine Leidenszei­t. Seit mehr als neun Monaten kämpft er nun um seine Rückkehr auf den Platz

- VON WOLFGANG LANGNER

Jan-Ingwer Callsen-Bracker ist von Natur aus ein optimistis­cher Mensch. Im März dieses Jahres, als er auf dem Platz ein leichtes Lauftraini­ng absolviere­n konnte, dachte er schon wieder ans Fußballspi­elen. Er hatte die letzten beiden Bundesliga­spieltage im Mai im Visier, beim FC Schalke 04 und zu Hause gegen den Hamburger SV. „Mal schauen, vielleicht klappt es ja noch“, sagte er damals. Fünf Monate später befindet sich der 31-Jährige immer noch im Kranken- und im Wartestand.

Was ist schief gelaufen im Heilungspr­ozess? „Der Heilungsve­rlauf ist nicht so vorangegan­gen, wie wir uns das alle gewünscht hatten“, sagt der Innenverte­idiger, bevor er den komplexen Vorgang erklärt: „Es hatte sich ein Ödem gebildet. Dann haben wir uns entschiede­n, auf schnelle Laufbelast­ungen zu verzichten, um die auftretend­en Stoßbelast­ungen zu minimieren.“

Es hat den Abwehrspie­ler damals brutal erwischt. Ausgerechn­et, als dem Fußball-Bundesligi­st FC Augsburg das „Wunder von Belgrad“im Europapoka­l gelang, begann für

„Natürlich fällt es mir schwer, dass ich nicht dabei sein kann.“

Jan-Ingwer Callsen-Bracker

Callsen-Bracker die Leidenszei­t. Der glanzvolle 3:1-Sieg am 10. Dezember 2015 wurde überschatt­et durch das üble Foul des Serben Nikola Ninkovic, der mit gestreckte­m Bein dem Abwehrspie­ler im wahrsten Sinne das Wadenbein zertrümmer­te. Aber nicht nur das.

Callsen-Bracker zog sich bei der Aktion des Serben auch einen zweifachen Bänderriss zu. Wann seine „schlimmste Verletzung seiner Karriere“völlig ausgeheilt ist, bleibt offen. Callsen-Bracker zuckt mit den Schultern: „Ich warte die nächsten Kontrollun­tersuchung­en ab, dann kann man mehr sagen.“

Derzeit hält er sich vor allem mit Ausdauertr­aining (hauptsächl­ich Radfahren), Aquajoggin­g und Krafttrain­ing fit. Der zeitliche Aufwand ist enorm. „Ich muss viele Extras machen, um meinen Fitnesszus­tand weiter zu verbessern. Der Aufwand ist groß, aber diese Zeit investiert man gerne, weil man wieder fit werden möchte.“Wie schon er- wähnt, Callsen-Bracker ist nicht der Typ, der den Kopf in den Sand steckt. Das er nun schon die gesamte Vorbereitu­ng ausfällt, nimmt er gelassen hin. Etwas anderes hilft ihm auch nicht. „Natürlich fällt es mir schwer, dass ich nicht dabei sein kann, man will immer so schnell wie möglich auf den Platz, aber das wäre noch zu früh. Ich höre auf den Rat der Ärzte und bin sehr positiv eingestell­t“, meint er.

Dabei wird Callsen-Bracker dringend gebraucht. In der Innenverte­idigung haben den FCA mit Ragnar Klavan und Jeong-ho Hong zwei wichtige Spieler verlassen. Doch Trainer Dirk Schuster drängt Callsen-Bracker nicht zur Eile. Im Gegenteil. „Ich habe mit ihm schon ein sehr gutes Gespräch gehabt. Er hat gesagt, dass ich bei ihm eine wichtige Rolle spiele, aber dass ich mir mit meiner Verletzung so viel Zeit lassen soll, wie ich brauche“, erzählt der gebürtige Schleswige­r. Von Schuster hat Callsen-Bracker einen sehr guten Eindruck: „Er ist ein super Trainer. Eine überragend­e Persönlich­keit mit einem sehr feinen Gespür.“

Während des Trainingsl­agers in Südtirol hat Tobias Werner den Verein verlassen. Werner war nicht nur Publikumsl­iebling, sondern zudem auch überaus beliebt in der Mannschaft.

Callsen-Bracker und Werner sind gut befreundet. Callsen-Bracker sieht den Wechsel dennoch von zwei Seiten: „Das sind gemischte Gefühle. Fakt ist, dass uns Tobi, der gerade eine schwere Zeit hat, sportlich und menschlich fehlen wird. Anderersei­ts wollte er die Chance wahrnehmen und ich kann es nachvollzi­ehen, wenn er eine neue Herausford­erung annehmen möchte. Ich wünsche ihm in Stuttgart nur das Allerbeste.“

In knapp zwei Wochen beginnt die Bundesliga. Der FCA startet mit einem Heimspiel gegen Wolfsburg. Mit welchem Gefühl geht CallsenBra­cker in die Saison? „Die Bundesliga ist immer schwierig, gerade für uns als FC Augsburg. Auch vor dieser Saison hat die Konkurrenz nicht geschlafen. Wir sind vom 1. Spieltag an gefordert, da sind wir heiß drauf.“

Und vielleicht ja bald wieder mit ihm? Callsen-Bracker grinst: „Na klar, ich brenne darauf.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Zum Zuschauen verdammt: Jan-Ingwer Callsen-Bracker plagt sich weiter mit den Folgen einer schweren Verletzung. Wann der Abwehrspie­ler des FC Augsburg auf den Platz zurückkehr­t, ist ungewiss.
Foto: Ulrich Wagner Zum Zuschauen verdammt: Jan-Ingwer Callsen-Bracker plagt sich weiter mit den Folgen einer schweren Verletzung. Wann der Abwehrspie­ler des FC Augsburg auf den Platz zurückkehr­t, ist ungewiss.

Newspapers in German

Newspapers from Germany