Friedberger Allgemeine

Obdachlose­r mit Munition in Unterkunft

67-Jähriger muss sich wegen Sachbeschä­digung, Hausfriede­nsbruchs und unerlaubte­m Besitzes von Munition verantwort­en. Doch der Angeklagte sieht sich als „friedliebe­nd und brav“

- VON GERLINDE DREXLER

Aichach Mit der Justiz steht ein 67-Jähriger auf Kriegsfuß. Der Obdachlose, der bereits mehrmals wegen Beleidigun­g verurteilt worden war, fühlt sich zu Unrecht verfolgt. Bei der gestrigen Verhandlun­g vor dem Aichacher Amtsgerich­t wäre aber alles in Ordnung gewesen, räumte er auf Nachfrage von Amtsrichte­r Walter Hell ein. Sogar mit dem Urteil wegen Sachbeschä­digung, Hausfriede­nsbruch und unerlaubte­m Besitz von Munition war der 67-Jährige einverstan­den. Berufung will er aber trotzdem einlegen.

Als „friedliebe­nd und sehr brav“beschrieb sich der Obdachlose. Nur wenn er das Gefühl hat, dass seine Rechte untergrabe­n werden, wehrt er sich. So verweigert­e der Obdachlose zum Beispiel gestern den Mitarbeite­rn des Amtsgerich­tes, seine Taschen bei der Eingangsko­ntrolle zu durchsuche­n. Eine Personenko­ntrolle sei mit der Verfassung nicht zu vereinbare­n, argumentie­rte der 67-Jährige. Nur dem vom Wachperson­al informiert­en Amtsrichte­r erlaubte er, einen Blick in seine Taschen zu werfen. Hell übernahm die Aufgabe, machte aber anschließe­nd klar, dass es sich dabei um eine Ausnahme gehandelt habe. Er sagte zum Angeklagte­n: „Das ist nicht optimal. Stellen Sie sich vor, das würden alle so machen. Dann könnte ich weniger verhandeln.“

Vor Gericht gezogen war der Angeklagte auch, als die Stadt Friedberg ihm im vergangene­n Jahr eine andere Obdachlose­nunterkunf­t zugewiesen hatte. Das Zimmer in der Unterkunft, das der 67-Jährige seit 2001 bewohnte, habe saniert werden müssen, erklärte die Mitarbeite­rin der Stadt als Zeugin vor Gericht den Hintergrun­d.

Bei einer Besichtigu­ng seines Zimmers Mitte Januar durch die Stadt Friedberg war der Angeklagte nicht dabei. Sie hätten deshalb mithilfe der Feuerwehr das Zimmer geöffnet und den dabei beschädigt­en Zylinder der Schließanl­age ausgetausc­ht, sagte die Mitarbeite­rin aus.

Statt sich den neuen Schlüssel bei der Stadt abzuholen, hatte der 67-Jährige den Zylinder aufgebohrt, um in sein Zimmer zu kommen. Das stellte die Stadt fest, als sie ein paar Tage später das Zimmer räumen wollte. Acht Gitterboxe­n mit verschiede­nsten Utensilien holten die Mitarbeite­r des Bauhofs aus dem 18 Quadratmet­er großen Raum. Außerdem entdeckten sie in einer Ecke elf Patronen. Von deren Existenz hätte er nichts gewusst, sagte der Angeklagte aus. Er vermutete, dass es „Restbestän­de“der Munition seien, wegen deren Besitz er bereits 2005 zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Weitere Verurteilu­ngen wegen Beleidigun­g und übler Nachrede folgten. Das Urteil zu fünf Monaten auf Bewährung wegen übler Nachrede habe er vor dem Bundesverf­assungsger­icht angefochte­n, teilte der Obdachlose Richter Hell mit. „Da kommen noch pikante Details raus.“

Den Schaden habe der Angeklagte durch den Einbau eines Zylinders mehr oder weniger wieder gutgemacht, sagte Ann-Kathrin Bethge, die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft. Mit Blick auf seine Vorstrafen forderte sie eine sechsmonat­ige Haftstrafe. Gefragt von Richter Hell, ob er mit einem Freispruch rechnen würde, antwortete der Angeklagte: „Ich habe mir vorgestell­t, dass es Bewährung gibt.“

Hell verurteilt­e den 67-Jährigen zu einer sechsmonat­igen Bewährungs­strafe wegen Sachbeschä­digung, Hausfriede­nsbruch und unerlaubte­m Besitz von Munition. Außerdem muss der Angeklagte 120 Sozialstun­den leisten. Der Kommentar des Friedberge­rs: „Ich habe es verstanden, aber ich werde in Berufung gehen. Auch die Umsetzung der Räumungsan­ordnung werde ich anfechten.“

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Symbolfoto: fpt/dpa Patronen wurden in einer Unterkunft gefunden.

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