Gutachter und Gericht entscheiden für Polytech
Rechtsstreit Nach gut zweijähriger Prüfung weist das Verwaltungsgericht die Klagen der Anwohner und des Marktes Mering ab. Doch mittlerweile läuft bereits das Insolvenzverfahren
Mering Fast zwei Jahre haben die Anwohner des kunststoffverarbeitenden Betriebs in der Geßweinstraße und der Markt Mering, aber auch Polytech-Geschäftsführer Wilhelm Peter selbst auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewartet. Jetzt wurden nun die Klagen der Anwohner und der Gemeinde abgewiesen. Ein in seiner Art belästigendes Gewerbe sei nicht erkennbar, so hieß es in der Urteilsbegründung. Die umliegende Wohnbebauung werde nicht durch erhöhte Immissionswerte beeinträchtigt. „Wir müssen uns daran halten, was in der Baugenehmigung steht“, erklärte die Vorsitzende Richterin und verwies auf eine ausführliche schriftliche Urteilsbegründung, die allen Parteien zugestellt werde.
Sechs Anwohner aus der Wohnsiedlung am Hörlgraben in direkter Nachbarschaft zu Polytech verfolgten den Prozess, in dem Jonas Stade mit Unterstützung seines Anwalts Christoph Landel als Musterkläger die Interessen der Anwohner vertrat. Von ursprünglich 26 Klagen seien, auch wegen Wegzugs einiger Bewohner und des Verfahrenskostenrisikos, aktuell vier Klagen übrig geblieben. Zwei Klagen erhob Stade im Auftrag der Interessengemeinschaft gegen den Freistaat Bayern wegen Nutzungsänderung und Einbau einer Lackieranlage, zwei Klagen richtete der Markt Mering, vertreten durch den Zweiten Bürgermeister Florian Mayer und Rechtsanwalt Cornelius Thoma, gegen den Freistaat Bayern.
Die Vorgeschichte dazu beginnt mit dem Brand der Halle an der Tratteilstraße an Silvester 2011, der die Firma Polytech zum Umzug auf das Firmengelände an der Geßweinstraße bewog. Dort beschwerten sich die Menschen schon bald über starke Kunststoffgerüche. Für die erst im Nachhinein beantragte erforderliche Nutzungsänderung verweigerte der Meringer Gemeinderat das Einvernehmen. Das Landratsamt aber prüfte als übergeordnete Behörde diese Entscheidung und ersetzte das Einvernehmen.
Nach diversen Stellungnahmen der verschiedenen Prozessbeteiligten fasste das Gericht einen Beweisbeschluss und schickte einen eigenen Gutachter nach Mering. Sachverständiger Alois Schwarzmeier erstellte ein sehr umfangreiches Gutachten, das sich eingehend mit den drei Punkten der Klage – Immissionsschutz, Wasserrecht sowie Gebietscharakter – befasste. Aufgrund seiner Lage im Überschwemmungsgebiet erließ es in Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt die Auflage, gefährliche Stoffe höher zu lagern. In Sachen Lärm- und Geruchsbelästigung würden vorgeschriebene Immissionswerte bei Weitem eingehalten oder vielmehr deutlich unterschritten, erläuterte der Gutachter
Dies bezweifelte Kläger Jonas Stade, der in einem über sechs Wochen angelegten Protokoll eine erhebliche Geruchsbelästigung an zwölf Tagen darlegte. Polytech-Geschäftsführer Wilhelm Peter berichtete von Anwohnern, die selbst Kunststoff verbrennen würden, um ihm zu schaden, und sein Anwalt Markus Zametzer sprach von einem „Sammelsurium an Unterstellungen durch die Nachbarschaft“, die seiner Mandantschaft übel mitgespielt habe.
Das dreiköpfige Richtergremium samt Schöffen unterbrach diese Ausführungen jedoch mit dem Hinweis, rechtlich relevant sei nur die Baugenehmigung. Auch die im Verlauf der Verhandlung viel diskutierte Frage, ob es sich beim vorliegenden Gebiet um eine Gewerbeansiedlung handle oder, wie es von den drei Vertretern des Landratsamtes gesehen wurde, eine sogenannte Gemengelage vorliege, erwies sich letztendlich als unerheblich. Die Gemeinde könne daraus nur lernen, dass ihre Planungen künftig professioneller gemacht werden müssten, kommentierte ein Anwohner die abgewiesene Klage. „Für uns Betroffene ist dies hart, denn es deckt sich nicht mit der Realität“, findet Musterkläger Jonas Stade. Zweiter Bürgermeister Florian Mayer, der in Vertretung des Marktes Mering dem Prozess beiwohnte, will die schriftliche Urteilsbegründung abwarten: „Erst dann kann der Gemeinderat abwägen, ob wir dagegen vorgehen wollen.“Polytech-Geschäftsführer Wilhelm Peter kann sich indes nicht so recht über den für seine Firma positiven Urteilsausgang freuen. „Die Anklage hat sich nun in Luft aufgelöst, aber der Betrieb hat das nicht überlebt“, sagt er bitter. Hätte das Rechtsgutachten bis spätestens März/April vorgelegen, dann hätte uns das noch gereicht, aber man könne nicht ewig Geld vorstrecken, erklärte er.
Der Verzögerungsgrund war wohl die lange nicht vorliegende Prognose des Deutschen Wetterdienstes in Bezug auf die Bestimmung der Windhose und somit die Windrichtung, in die eventuelle Geruchsbelästigungen ausgehen. Inzwischen ist das Unternehmen Polytech in der sogenannten Ausproduktion, das heißt, laufende Aufträge werden noch fertiggestellt. Bereits Ende Juni hat ein Insolvenzverwalter begonnen, sich in die Situation einzuarbeiten. Wie es weitergeht, ist noch ungewiss.