Das fünfte Evangelium
Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich am See Genezareth. „Einsamer Ort“wird die Stelle in der Nähe der Brotvermehrung genannt. Ich atme den Geist des Wirkens Jesu in Galiläa.
Hier am See im Norden des heutigen Israel hat Jesus seine Freunde um sich geschart, hier hat er gewohnt, gewirkt und die meisten seiner Wunder getan. Das Gebiet seines Wirkens lässt sich gut zu Fuß abgehen. Es fasziniert mich immer neu, wie die Botschaft Jesu aus diesem unbedeutenden Winkel der Erde in die ganze Welt gegangen ist.
Mehrmals hat er sogar ausdrücklich verboten, dass die Leute von seinen Wundern erzählen.
Er tut in seinem kleinen Lebensraum „nur“das, was in diesem Moment ansteht: Menschen Mut zusprechen, ihnen die Heilige Schrift auslegen, sie heilen. Wenn ich heute hier um den See Genezareth die Wege abgehe, die Jesus ebenfalls unter seinen Füßen hatte, und die Landschaft auf mich wirken lasse, so werden die Erzählungen der Bibel lebendig. Sicherlich kommt alleine dadurch noch niemand zum Glauben, doch dem Glaubenden kann sich manche Bibelstelle neu erschließen. Die Landschaft kann als „fünftes Evangelium“den beschriebenen Text ergänzen.
Aber ich muss nicht hierherkommen, um meinen Glauben zu stärken. Es kann schon ermutigen, sich vom Vertrauen der biblischen Menschen anstecken zu lassen. Sich berühren zu lassen vom Glauben der Freunde des Gelähmten, die für ihn das Dach abdecken und ihn so zu Jesus bringen. Der stellvertretende Glaube heilt bereits.
So kann auch mein und Ihr Vertrauen Heilsames bewirken. Es reicht, wenn ich an meinem kleinen Lebensraum in Verbindung mit Gott das tue, was heute ansteht. Und darauf vertraue, dass Gutes, Heilsames daraus entsteht. Jesu Beispiel lehrt, dass dies genügt.