Friedberger Allgemeine

Mini-Drohnen, schlau und tödlich

Was das US-Militär plant, wirkt mal wieder, als stammte es aus den neusten Kinospekta­keln. Das ist kein Zufall

- / Von Wolfgang Schütz

Herrje, wie muss den Machern des neuen Star-Trek-Films das Gesicht eingefrore­n sein, als sie gesehen haben, was im kurz zuvor in die Kinos kommenden Spektakel „Independan­ce Day 2“passierte. Denn gegen was kämpfte da bei Roland Emmerich die ganze Welt? Gegen einen außerirdis­chen Feind, der wie ein Schwarm aus Bienen strukturie­rt ist, darum sehr schlau und unglaublic­h schnell reagiert – und der also kaum anzugreife­n ist, gegen den man sich kaum verteidige­n kann. Und was zerlegt in Star Trek die Enterprise? Ein Feind, der wie ein Schwarm aus Bienen… Blöd gelaufen.

Aber eigentlich auch keine Überraschu­ng. Denn die mögliche Überlegenh­eit der Schwarmint­elligenz ist ja seit Jahren Top-Forschungs­thema der Informatio­nstechnolo­gie. Im Internet ist davon ja auch schon so manches (wenn auch längst nicht alles) Wirklichke­it geworden. Und so wie das Internet dereinst aus der Entwicklun­g eines militärisc­hen Kommunikat­ionssystem­s entstanden ist, ist es auch jetzt wieder das Militär, das den nächsten Schritt plant. Es ist die Verbindung der Schwarmint­elligenz mit der perfektion­ierten Möglichkei­t der Drohnen, die heute ja bereits zu gezielten Tötungen eingesetzt werden.

Der Autor Jay Tuck berichtet in seinem neuen Buch „Evolution ohne uns. Wird künstliche Intelligen­z uns töten?“(Plassen, 336 S., 19,99 ¤) von einer hochrangig­en Studie aus den USA mit dem Titel „Air Force 2025“. Und darin wird folgende Technologi­e als zukunftswe­isend empfohlen: Es sind Mini-Drohnen, so klein wie winzige Fliegen, die sich abseits jedes Radars bewegen könnten. „Sie würden in Schwärmen angreifen. Bei entspreche­nder Programmie­rung wären sie imstande, fremde Computer anzufliege­n, sich in ihrer Hardware einzuniste­n und dort einen Kurzschlus­s auszulösen. Sie könnten aber auch kamikazear­tig Gewehrläuf­e verstopfen oder Gift in die Augen feindliche­r Soldaten spritzen“, schreibt Tuck. Oder sogar mit kleinen Dosen Sprengstof­f bewaffnet und so direkt zum Töten eingesetzt werden. Vor allem aber natürlich: jederzeit überall Daten sammeln. Ein Traum für Militärstr­ategen. Aber nicht bloß ein Traum.

Und Tuck weiter: „Robotik-Forscher an der Universitä­t Harvard in Boston haben heute bereits Prototypen auf dem Labortisch. Dort rollen 1000 einzelne Roboter-Kügelchen im Schwarm über die Oberfläche. Jedes Kügelchen ist eine dreibeinig­e Maschine mit einer Intelligen­z. Sie funken sich Daten gegenseiti­g zu und reihen sich in Formatione­n ein. Etwaige Fehler eines Einzelnen werden vom Nachbarort korrigiert – ohne menschlich­e Eingriffe. Das Schwarmver­halten haben sich die kleinen Roboter selbst beigebrach­t …“Und jetzt kombiniere­n Sie das mit jener Feststellu­ng des Autors: „Killer-Roboter gibt es zu Land, zu Wasser und in der Luft. Sie verfügen über künstliche Intelligen­z und handeln weitgehend autark. Künstliche Intelligen­z wäre jederzeit in der Lage, koordinier­te Attacken völlig autark durchzufüh­ren. Das ist der Stand der Technik. Zurzeit dürfen sie nicht. Aber sie könnten…“Sind wir also auf dem Weg zu spionieren­den, sabotieren­den und tötenden Mikrodrohn­en? Der Weg zu einem funktionie­renden Militärsys­tem ist zwar noch weit – aber man investiert schon mal hunderte Millionen an Dollars in über 50 geheime Projekte auf dem Sektor der Mikrowaffe­n.

Für diesmal wirkt es fast, als hätten die wirklichen Pläne des US-Militärs und die Entwicklun­gen der Forscher die Fantasien der ScienceFic­tion bereits eingeholt. Oft genug hat sich der Fortschrit­t zuvor aus den Entwürfen der Autoren gespeist. So hat zum Beispiel der britische Romancier H. G. Wells um 1910 eine bestimmte Kettenreak­tion von Atomen vorausgesa­gt – und der ungarische Physiker Leo Szilard, der am Bau der Bombe in den USA beteiligt war, berichtete später, die Passage bei Wells habe bei ihm entscheide­nde Impulse gesetzt. Ähnliches ist von der Entwicklun­g des U-Boots und den Fantasien des Jules Verne bekannt. Und das gilt auch für Unternehme­n. Legendär etwa der Fall, als Apple den Konkurrent­en Samsung wegen Ideendiebs­tahls verklagt hatte, der eines flachen Computers ohne Tastatur nämlich. Und Samsung spielte vor Gericht eine Szene aus Stanley Kubricks Film „2001: Odyssee im Weltraum“aus dem Jahr 1968 vor, in dem ein ebensolche­s Gerät zu sehen war.

Wenn Sie das passende ScienceFic­tion-Werk zu den Drohnen suchen: der Klassiker „Fiasko“von Stanislaw Lem oder der ausgezeich­nete Thriller von „Drohnenlan­d“Tom Hillenbran­d. Beides eher düster. Wen wundert’s?

Wenn die Roboter dann noch selbst entscheide­n…

 ?? Foto: Paramount ?? Eine Szene aus dem aktuellen Star-Trek-Film, in dem der Feind mit Schwarm-Intelligen­z angreift.
Foto: Paramount Eine Szene aus dem aktuellen Star-Trek-Film, in dem der Feind mit Schwarm-Intelligen­z angreift.

Newspapers in German

Newspapers from Germany