Mini-Drohnen, schlau und tödlich
Was das US-Militär plant, wirkt mal wieder, als stammte es aus den neusten Kinospektakeln. Das ist kein Zufall
Herrje, wie muss den Machern des neuen Star-Trek-Films das Gesicht eingefroren sein, als sie gesehen haben, was im kurz zuvor in die Kinos kommenden Spektakel „Independance Day 2“passierte. Denn gegen was kämpfte da bei Roland Emmerich die ganze Welt? Gegen einen außerirdischen Feind, der wie ein Schwarm aus Bienen strukturiert ist, darum sehr schlau und unglaublich schnell reagiert – und der also kaum anzugreifen ist, gegen den man sich kaum verteidigen kann. Und was zerlegt in Star Trek die Enterprise? Ein Feind, der wie ein Schwarm aus Bienen… Blöd gelaufen.
Aber eigentlich auch keine Überraschung. Denn die mögliche Überlegenheit der Schwarmintelligenz ist ja seit Jahren Top-Forschungsthema der Informationstechnologie. Im Internet ist davon ja auch schon so manches (wenn auch längst nicht alles) Wirklichkeit geworden. Und so wie das Internet dereinst aus der Entwicklung eines militärischen Kommunikationssystems entstanden ist, ist es auch jetzt wieder das Militär, das den nächsten Schritt plant. Es ist die Verbindung der Schwarmintelligenz mit der perfektionierten Möglichkeit der Drohnen, die heute ja bereits zu gezielten Tötungen eingesetzt werden.
Der Autor Jay Tuck berichtet in seinem neuen Buch „Evolution ohne uns. Wird künstliche Intelligenz uns töten?“(Plassen, 336 S., 19,99 ¤) von einer hochrangigen Studie aus den USA mit dem Titel „Air Force 2025“. Und darin wird folgende Technologie als zukunftsweisend empfohlen: Es sind Mini-Drohnen, so klein wie winzige Fliegen, die sich abseits jedes Radars bewegen könnten. „Sie würden in Schwärmen angreifen. Bei entsprechender Programmierung wären sie imstande, fremde Computer anzufliegen, sich in ihrer Hardware einzunisten und dort einen Kurzschluss auszulösen. Sie könnten aber auch kamikazeartig Gewehrläufe verstopfen oder Gift in die Augen feindlicher Soldaten spritzen“, schreibt Tuck. Oder sogar mit kleinen Dosen Sprengstoff bewaffnet und so direkt zum Töten eingesetzt werden. Vor allem aber natürlich: jederzeit überall Daten sammeln. Ein Traum für Militärstrategen. Aber nicht bloß ein Traum.
Und Tuck weiter: „Robotik-Forscher an der Universität Harvard in Boston haben heute bereits Prototypen auf dem Labortisch. Dort rollen 1000 einzelne Roboter-Kügelchen im Schwarm über die Oberfläche. Jedes Kügelchen ist eine dreibeinige Maschine mit einer Intelligenz. Sie funken sich Daten gegenseitig zu und reihen sich in Formationen ein. Etwaige Fehler eines Einzelnen werden vom Nachbarort korrigiert – ohne menschliche Eingriffe. Das Schwarmverhalten haben sich die kleinen Roboter selbst beigebracht …“Und jetzt kombinieren Sie das mit jener Feststellung des Autors: „Killer-Roboter gibt es zu Land, zu Wasser und in der Luft. Sie verfügen über künstliche Intelligenz und handeln weitgehend autark. Künstliche Intelligenz wäre jederzeit in der Lage, koordinierte Attacken völlig autark durchzuführen. Das ist der Stand der Technik. Zurzeit dürfen sie nicht. Aber sie könnten…“Sind wir also auf dem Weg zu spionierenden, sabotierenden und tötenden Mikrodrohnen? Der Weg zu einem funktionierenden Militärsystem ist zwar noch weit – aber man investiert schon mal hunderte Millionen an Dollars in über 50 geheime Projekte auf dem Sektor der Mikrowaffen.
Für diesmal wirkt es fast, als hätten die wirklichen Pläne des US-Militärs und die Entwicklungen der Forscher die Fantasien der ScienceFiction bereits eingeholt. Oft genug hat sich der Fortschritt zuvor aus den Entwürfen der Autoren gespeist. So hat zum Beispiel der britische Romancier H. G. Wells um 1910 eine bestimmte Kettenreaktion von Atomen vorausgesagt – und der ungarische Physiker Leo Szilard, der am Bau der Bombe in den USA beteiligt war, berichtete später, die Passage bei Wells habe bei ihm entscheidende Impulse gesetzt. Ähnliches ist von der Entwicklung des U-Boots und den Fantasien des Jules Verne bekannt. Und das gilt auch für Unternehmen. Legendär etwa der Fall, als Apple den Konkurrenten Samsung wegen Ideendiebstahls verklagt hatte, der eines flachen Computers ohne Tastatur nämlich. Und Samsung spielte vor Gericht eine Szene aus Stanley Kubricks Film „2001: Odyssee im Weltraum“aus dem Jahr 1968 vor, in dem ein ebensolches Gerät zu sehen war.
Wenn Sie das passende ScienceFiction-Werk zu den Drohnen suchen: der Klassiker „Fiasko“von Stanislaw Lem oder der ausgezeichnete Thriller von „Drohnenland“Tom Hillenbrand. Beides eher düster. Wen wundert’s?
Wenn die Roboter dann noch selbst entscheiden…