Friedberger Allgemeine

Volkswagen war erpressbar

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Wenn es um das Kostendrüc­ken in der Autoindust­rie geht, wird die Vernunft vom Fahrersitz oft auf die Rückbank verdammt. Der aktuelle Volkswagen-Fall zeigt das auf drastische Weise. Denn dass die Fahrzeug-Konzerne kaum noch Lagerhaltu­ng betreiben und sich Bauteile „just in time“, also dann, wenn sie gebraucht werden, ans Band liefern lassen, ist bekannt.

Doch neu dürfte für viele die noch abenteuerl­ichere Konstrukti­on sein, sich auf einen Lieferante­n für ein Bauteil zu verlassen. Volkswagen hat das getan und sich erpressbar gemacht. Dabei war das revoltiere­nde deutsch-bosnische Zuliefer-Konsortium wegen angebliche­r Qualitätsm­ängel ins Gerede gekommen. Die VW-Manager hätten also längst umsteuern und der Vernunft wieder den Fahrerplat­z anbieten müssen. Denn die englisch „Single Sourcing“– also Beschaffun­g aus einer Quelle – genannte Einkaufspo­litik funktionie­rt nur dann, wenn Auftraggeb­er und Lieferant sich gut verstehen. Beide dürfen, was die Rendite betrifft, nicht zu kurz kommen.

Auch wenn sich Volkswagen und die Zulieferer jetzt geeinigt haben, wird eines doch künftig anders sein: Die Kleinen wissen nun, dass sie gegen die Großen – durchaus mit Erfolg – einmal den Aufstand wagen können. Bisher trauten sie sich das nicht in aller Öffentlich­keit.

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