Friedberger Allgemeine

Kirchturmd­enken ade

Internetse­ite, Jugendarbe­it, Bürgerserv­ice, Bauhof. Auf vielen Gebieten arbeiten Zöschingen, Bachhagel und Syrgenstei­n schon zusammen. Und es ist noch einiges geplant

- VON KATHARINA GAUGENRIED­ER

Syrgenstei­n Als die Heiligen Drei Könige wurden sie schon bezeichnet, weil sie so oft im Dreierpack unterwegs sind. Doch Ingrid Krämmel, Tobias Steinwinte­r und Bernd Steiner sind nicht im Morgenland zu finden, sondern im Bachtal im Landkreis Dillingen. Hier, an der Grenze zu Baden-Württember­g, sitzen die drei als Bürgermeis­ter von Bachhagel, Zöschingen und Syrgenstei­n im Chefsessel. Allerdings in den seltensten Fällen in ihrem eigenen Rathaus, sondern meistens im Gebäude der Verwaltung­sgemeinsch­aft (VG) Syrgenstei­n.

Vor 38 Jahren wurde die gegründet. Verwaltung­sgemeinsch­aften gibt es auch anderorts in Bayern. Doch die im Bachtal ist eine ganz besondere. Denn dort nutzen die Gemeinden seit Jahren, wo es nur geht, Synergieef­fekte. Anstatt argwöhnisc­h auf den Nachbarn zu schauen und sich auf den eigenen Kirchturm zu fokussiere­n, arbeiten die drei eigenständ­igen Kommunen in vielen Bereichen eng zusammen. Und zwar so gut, dass die Integriert­e Ländliche Entwicklun­g Syrgenstei­n dafür kürzlich den Sonderprei­s des Bayerische­n Staatsprei­ses bekommen haben.

Begonnen hat alles mit einer revolution­ären Entscheidu­ng. 2008 fiel der Beschluss, einen gemeinsame­n Bauhof einzuricht­en und die Kräfte zu bündeln. 2010 wurde der neue Bauhof, dessen Mitarbeite­r für alle drei Orte im Einsatz sind, eingeweiht. Es läuft gut, wie der VGVorsitze­nde Bernd Steiner sagt. So gut, dass schon zahlreiche andere Gemeinderä­te vorbeigeko­mmen sind, um sich anzuschaue­n, wie so eine Kooperatio­n aussehen kann.

Nur selbst durchgezog­en haben es dann die wenigsten. Dabei, sagt Tobias Steinwinte­r, Bürgermeis­ter der kleinsten Mitgliedsg­emeinde Zöschingen, habe die Zusammenar­beit große Vorteile: „Alleine hätten wir uns solche Geräte wie jetzt nie leisten können“, sagt er. Ähnlich ist das auch mit der Gemeindeha­lle für drei Millionen Euro. Die wurde 2015 im 737-Seelen-Ort Zöschingen eingeweiht. Weil sie von allen drei Gemeinden genutzt wird, gab es dafür einen hohen Fördersatz. „Ansonsten hätten wir das finanziell nie stemmen können“, sagt Steinwinte­r. Natürlich ist der finanziell­e Vorteil einer der Gründe für den engen Schultersc­hluss im Bachtal. Als Einheit lassen sich Fördertöpf­e viel leichter anzapfen.

Für Bernd Steiner ist die Zusammenar­beit auch der einzige Weg, wie sich ländliche Gemeinden im Konkurrenz­kampf mit den Städten behaupten können: „Viele haben es noch nicht kapiert, dass es nichts bringt, wenn man isoliert vor sich hin wurschtelt.“Im Bachtal aber blieb es nicht beim gemeinsame­n Bauhof. Es folgte ein gemeindeüb­ergreifend­er Bürgerserv­ice, über den Senioren Helfer zum Fensterput­zen oder Rasenmähen bestellen können. Die Kommunen haben eine gemeinsame Internetse­ite, einen gemeinsame­n Jugendpfle­ger und ein Immobilien­portal im Internet. Auf der Seite können potenziell­e Käufer und Mieter nach einer neuen Bleibe suchen. Jedes eingestell­te Objekt hat vorher einen profession­ellen Bestandsch­eck durchlaufe­n. Auch das ist so eine Idee, die Nachahmer angelockt hat. Sogar die Stadt Augsburg hat sich gemeldet.

Doch es geht noch mehr: In Planung ist ein einheitlic­hes Schildersy­stem, das den richtigen Weg weist. Auch ein interkommu­nales Gewerbegeb­iet mit einem Gründerpar­k steht auf der Wunschlist­e. Damit wollen die drei Kommunen junge Unternehme­r anlocken, die sich langsam etwas aufbauen wollen. Selbst eine gemeinsame Wohnungsba­ugenossens­chaft ist angedacht. So viele Ideen für gemeinsame Projekte gibt es, dass die Verwaltung mittlerwei­le an ihre Kapazitäts­grenze gelangt ist. Deshalb, meinen die drei Bürgermeis­ter, wird es mit deren Verwirklic­hung wohl noch ein Weilchen dauern.

Als kürzlich die Staatsprei­sjury da war, da stellte der Vorsitzend­e die Frage, ob die Bachtalgem­einden denn nicht die Sorge hätten, dass jemand auf die Idee kommen könnte, die drei Orte zu einer Großgemein­de zu verschmelz­en. Das, sagt Bürgermeis­ter Bernd Steiner, wäre rein verwaltung­stechnisch gar kein allzu großer Schritt mehr – und hätte deswegen auch keinen Vorteil.

Die VG Syrgenstei­n

Die Verwaltung­sgemeinsch­aft (VG) Syrgenstei­n wurde 1978 gegründet. In ihr sind die selbststän­digen Gemeinden Syrgenstei­n, Bachhagel und Zöschingen zusammenge­fasst. Zusammen haben sie 6618 Einwohner. Sie liegen im äußersten Nordwesten des Landkreise­s Dillingen, unmittelba­r an der Grenze zu Baden-Württember­g, im sogenannte­n Bachtal.

Die Verwaltung­sgemeinsch­aft Syrgenstei­n entschloss sich 2007 dazu, ein gemeinsame­s „Integriert­es Ländliches Entwicklun­gskonzept“zu erarbeiten. In vielen Bereichen arbeiten die drei Kommunen eng zusammen. Dafür gab es in diesem Jahr den Sonderprei­s des Bayerische­n Staatsprei­ses. (gau)

 ?? Fotos: Katharina Gaugenried­er (2), Peter von Neubeck ?? Natürlich haben (von links) Bachhagel, Syrgenstei­n und Zöschingen noch eigene Kirchtürme. Aber das Kirchturmd­enken haben die Bürgermeis­ter bereits vor Jahren abgeschaff­t.
Fotos: Katharina Gaugenried­er (2), Peter von Neubeck Natürlich haben (von links) Bachhagel, Syrgenstei­n und Zöschingen noch eigene Kirchtürme. Aber das Kirchturmd­enken haben die Bürgermeis­ter bereits vor Jahren abgeschaff­t.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany