Friedberger Allgemeine

VW braucht mehr Demut und weniger Protz

Der Zoff mit Zulieferfi­rmen zeigt wieder mal, dass etwas faul ist im Staate Wolfsburg. Der Konzern muss den Rückwärtsg­ang einlegen

- Sts@augsburger-allgemeine.de

VVON STEFAN STAHL olkswagen scheint ein nie versiegend­er Quell für Verfehlung­en zu sein. Seit Jahrzehnte­n werden Skandale verlässlic­h öffentlich. So soll der „Kostenkill­er“José Ignacio López 1993 kistenweis­e vertraulic­he Unterlagen von seinem früheren Arbeitgebe­r General Motors zu VW mitgenomme­n haben. Auch das Rotlicht schien Wolfsburg lange zu überstrahl­en. Der frühere Personalvo­rstand Peter Hartz soll sich die Gunst allzu mächtiger Arbeitnehm­ervertrete­r mit Geldern für Geliebte und Prostituie­rte gesichert haben.

Dann zogen langsam Zwist und Größenwahn in das von den Familien Piëch und Porsche regierte Volkswagen-Reich ein. Der Winzling Porsche versuchte den Riesen VW zu schlucken und scheiterte mit der Raubtier-Kapitalism­us-Aktion, wie der frühere Kanzler Helmut Schmidt solche Exzesse genannt hat. Nach der Aktion hätte es Anlass für die Automanage­r gegeben, den Rückwärtsg­ang für mehr Demut einzulegen. Aber keiner verspürte Lust dazu.

Schließlic­h hatten Patriarch Ferdinand Piëch und sein getreuer Kämpfer Martin Winterkorn die Devise ausgegeben, die Nummer eins der Autowelt vor Toyota zu werden. So wurde übermäßige­r Druck auf Manager ausgeübt, gerade auf dem bisher im VW-Reich untermotor­isierten US-Markt endlich Erfolge einzufahre­n. Das sollte ausgerechn­et mit den in Amerika chronisch unbeliebte­n DieselFahr­zeugen geschehen.

In dem Umfeld muss die Geburtsstu­nde des Skandals liegen, der den Konzern wohl einen zweistelli­gen Milliarden­betrag kostet. Denn um die zu ehrgeizige­n AbgasVorga­ben zu erfüllen, wurden deutsche Ingenieure zu Betrügern.

Dagegen mutet die jüngste Episode aus dem Volkswagen-Eskapadenb­uch nicht derart dramatisch an. Doch im Zuliefer-Zoff führte das VW-Management vor, wie leichtfert­ig sich der Konzern auf nur einen Lieferante­n verlässt. Dass die Verantwort­lichen im zum Glück beendeten Konflikt gewillt waren, Kosten des Streits und damit der Produktion­sausfälle zum Teil auf die Allgemeinh­eit abzuwälzen, löst zu Recht Kritik aus. Denn wenn VW für tausende Mitarbeite­r Kurzarbeit­ergeld bekäme, würden die Mittel aus der Arbeitslos­enversiche­rung bezahlt.

Wer verstehen will, welch Geist hinter dem Affären-Reigen steckt, muss nach Wolfsburg fahren. Dort, unterhalb der imposanten Schlote des automobile­n Weltreichs, haben sich die Konzernher­ren eine luxuriöse, die Marken des Unternehme­nsreichs verherrlic­hende Autostadt gegönnt. Bei der Wanderung durch den Erlebnispa­rk kommt ein Riese zum Vorschein, der sich weit von seinen volksnahen, früher doch einigermaß­en bescheiden­en Wurzeln des knuffig-kleinen Käfers entfernt hat. Von dem automobile­n Neuschwans­tein ist der Weg nicht weit zur Volkswagen-Arena des konzerneig­enen VfL Wolfsburg. Hier wird das VW-Syndrom des Strebens nach immer mehr Größe und Macht vollends sichtbar. Schließlic­h steckt der Konzern medienwirk­sam Unsummen in den Fußball – und das bei weitem nicht nur in Wolfsburg.

In dem barocken Umfeld wird es für VW-Chef Matthias Müller schwer, Demut im Unternehme­n heimisch werden zu lassen. Um das Volkswagen-Syndrom in den Griff zu bekommen, muss er eine Vielzahl von Krankheite­n besiegen. Am Ende könnte der Boss an einer Aktionärss­truktur scheitern, die bisher tiefere Reformen verhindert hat. VW wird zwar von den Patriarche­n-Clans Piëch und Porsche regiert. Das SPD-geführte Land Niedersach­sen hält aber 20 Prozent. Ohne den starken Eigentümer und die übermächti­ge Gewerkscha­ft IG Metall geht nichts, bleibt Müller nur ein Tiger ohne Zähne.

Echte Reformen sind schwer durchzuset­zen

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