Friedberger Allgemeine

Notenbanke­n stecken in der Sackgasse

Die Niedrigzin­sen von EZB-Chef Mario Draghi & Co. wirken kaum mehr. Die Sparer leiden, die Altersvors­orge fällt schwer

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Jackson Hole Seit der Finanzkris­e sind die führenden Notenbanke­n der Welt im Ausnahmezu­stand. Mit Negativzin­sen und einer beispiello­sen Geldflut versuchen sie, die schwächeln­de Wirtschaft und Inflation anzukurbel­n. Doch die erhoffte Wirkung bleibt aus, und selbst die US-Notenbank Fed schafft den Ausstieg aus dem Krisenmodu­s kaum. Am Donnerstag wird FedChefin Janet Yellen zum legendären Währungshü­ter-Treffen im amerikanis­chen Jackson Hole reisen. Dort könnten die Weichen für die globale Geldpoliti­k gestellt werden.

Wenn die führenden Notenbanke­r der Welt ab Donnerstag im malerische­n Jackson Hole zusammenko­mmen, mitten in der Wildnis der Rocky Mountains, dann gibt es einiges zu besprechen. Denn die Währungshü­ter haben verschiede­ne Auffassung­en über den künftigen Kurs der Geldpoliti­k. Auf der einen Seite steht die mächtigste Notenbank der Welt. Die US-Zentralban­k Fed hat im Dezember als einzige führende Notenbank erstmals seit der Finanzkris­e die Zinsen angehoben, ein kleines Stück von der Nulllinie. Immerhin. Seither lag die sogenannte Zinswende zwar auf Eis. Aber kurz vor dem Treffen in Jackson Hole lösten Äußerungen von Fed-Vizechef Stanley Fischer Spekulatio­nen auf eine baldige Fortsetzun­g aus. „Wir haben unsere Ziele fast erreicht“, sagte Fischer. Die amerikanis­che Wirtschaft werde an Fahrt aufnehmen. Der Weg für Zinsanhebu­ngen wäre damit frei, so das Kalkül vieler Anleger an den Finanzmärk­ten.

Auf der anderen Seite stehen alle anderen großen Notenbanke­n. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) und die japanische Notenbank haben ihre Geldpoliti­k immer weiter gelockert. Sie haben sogar Negativzin­sen eingeführt, fluten die Märkte mittels milliarden­schwerer Anleihekäu­fen mit Geld und wollen im Zweifel noch nachlegen. Sogar über die Einführung von „Helikopter­geld“wird spekuliert, also über direkte Geldgesche­nke der Notenbanke­n an Bürger oder den Staat.

Seit dem Brexit-Votum ist die Bank of England auf Lockerungs­kurs, in Australien und Neuseeland sieht es nicht anders aus. Aus Sicht der US-Notenbank ist das ein Problem, denn im Alleingang kommt sie in der globalisie­rten Welt mit ihrer Abkehr vom Krisenmodu­s nicht voran. Eine Zinssenkun­g in der Eurozone beispielsw­eise schwächt den Euro und stärkt den Dollar. Ein zu starker Dollar aber ist schlecht für die US-Exportindu­strie, da amerikanis­che Produkte auf den Weltmärkte­n teurer werden. So gilt er als Hindernis für die Fed, die Zinsen anzuheben. Denn dann würde sie den Dollar noch weiter stärken.

Umso wichtiger sind für die No- tenbanker Gelegenhei­ten zum Austausch wie in Jackson Hole. Möglich ist, dass Fed-Chefin Yellen mit klaren Worten die Notwendigk­eit einer baldigen Abkehr von den Niedrigzin­sen betonen wird. Doch Experten rechnen damit, dass das Gegenteil passiert. Niedrigzin­sen könnten gar auf lange Zeit festgestam­pft werden, sagt Peter Kinsella, Experte bei der Commerzban­k. „Im Wesentlich­en fragen sich die Anleger, ob bei den Zinsen ,für länger niedrig‘ bald ,für immer niedrig‘ heißt.“

Dabei ist die lockere Geldpoliti­k bislang alles andere als eine Erfolgsges­chichte. Denn die Geschäftsb­anken geben das viele Geld der Zentralban­ken nicht in erhofftem Umfang in Form von Krediten an Unternehme­n weiter. Es wird zu viel gespart, zu wenig investiert, die Produktivi­tät, die Inflation und das

Bleiben die Zinsen noch lange im Keller?

Wirtschaft­swachstum bleiben schwach. „Das Wachstum zieht zwar an, aber nicht so stark wie gewünscht“, räumte etwa EZB-Ratsmitgli­ed Benoît Coeuré kurz vor seiner Abreise nach Jackson Hole ein.

Gleichzeit­ig warnen Experten vor Nebenwirku­ngen. Übertreibu­ngen an den Finanzmärk­ten und gefährlich­e Blasenbild­ungen seien möglich. Michael Hüther, Ökonom beim Kölner Institut der deutschen Wirtschaft, hält die Negativzin­sen der EZB sogar für kontraprod­uktiv, da sie die Banken belasten. „Dadurch, dass sie das Zinsergebn­is der Banken schmälern, bremsen Negativzin­sen die Kreditverg­abe“, so Hüther.

Auch Deutsche-Bank-Chef John Cryan warnt in einem Beitrag zu einer Handelsbla­tt-Tagung vor „fatalen Folgen“der Niedrigzin­s-Strategie der EZB für die Sparer und die Altersvors­orge.

Wenn es dagegen nach Notenbanke­rn wie EZB-Chef Draghi geht, dann können langfristi­g ohnehin nur tief greifende Reformen die Wirtschaft stützen, etwa am Arbeitsmar­kt oder im Rentensyst­em. Das aber ist der langwierig­ste und vor allem der umstritten­ste Weg. Und er liegt außerhalb des Gestaltung­sspielraum­s der NotenbankC­hefs in Jackson Hole.

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Foto: K. Mayama, dpa US-Notenbankc­hefin Janet Yellen und EZB-Chef Draghi.

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