Friedberger Allgemeine

Vollgepump­te Olympiasie­ger

Nach acht Jahren deckt das IOC Dopingfäll­e auf, die für Nationen ein Aus in Rio bedeutet hätten. Der Vorgang passt zu Fabian Hambüchens scharfer Kritik an eigenen Funktionär­en

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Peking Besser spät als nie, heißt es ja so schön. Das gilt auch, wenn spät wirklich sehr spät ist. Denn an den Olympiasie­g der chinesisch­en Gewichtheb­erin Cao Lei können sich nur die wenigsten erinnern. Sie gewann ihre Goldmedail­le bei den Spielen in Peking vor acht Jahren. Dass sie die insgesamt 282 Kilogramm – 16 mehr als die Silbermeda­illen-Gewinnerin – nur stemmen konnte, weil sie verbotene Substanzen eingenomme­n hatte, kam bei Tests nun ans Licht.

Dass die Proben erst jetzt, wenige Tage nach Olympia, ausgewerte­t wurden, passt zur unglücklic­hen Figur, die der IOC im Kampf gegen Doping abgibt. Und es passt zur Kritik Fabian Hambüchens, der die zweifelhaf­ten Bemühungen des Verbands ansprach, den staatsgele­nkten Betrug Russlands zu bestrafen. Hätte der IOC die Gewichtheb­er-Proben früher analysiert, hätte er gegen weitere Nationen hart durchgreif­en müssen.

Denn die Chinesin Cao Lei war nicht die einzige Gewichtheb­erin, die in Peking gedopt hat. Wie der Internatio­nale Gewichtheb­erverband (IWF) bekanntgab, hatten auch die Olympiasie­gerinnen Liu Chunhong und Chen Xiexia (beide China) verbotene Mittel eingenomme­n. Selbiges sei bei acht weiteren Medailleng­ewinnern von Peking festgestel­lt worden. Zu ihnen gehört auch der weißrussis­che Weltrekord­halter Andrej Rybakow. Die anderen Gewichtheb­er stammen aus Russland, Kasachstan, Aserbaidsc­han und der Ukraine.

Zusammen mit diesen 15 positiven Proben sind bei den Nachtests der Spiele von Peking 2008 und London 2012 nunmehr 46 Gewichtheb­er erwischt worden. Darunter sind Athleten, die sowohl in Peking als auch in London gedopt waren. Dazu zählen der kasachisch­e Doppel-Olympiasie­ger Ilja Iljin. Hätte das IOC die Nachtests früher abgeschlos­sen, wären nach Festlegung des Weltverban­des IWF Nationen wie Kasachstan, Weißrussla­nd, Armenien, China, Moldau, Türkei und Ukraine für Rio gesperrt worden. Die Suspendier­ung betrifft alle Teams, die bei den Nachtests mindestens drei positive Fälle hatten. Diese Länder gewannen bei den Gewichtheb­er-Wettbewerb­en in Rio 17 Medaillen. Ausgeschlo­ssen waren lediglich Russland, Aserbaidsc­han und Bulgarien. Die Sperren für die anderen Nationen werden nunmehr später wirksam und sollen ein Jahr gelten.

Turn-Olympiasie­ger Fabian Hambüchen hat den Kurs, den das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) gegen Dopingsünd­er eingeschla­gen hat, heftig kritisiert. Zur Entscheidu­ng, Russland nicht komplett von den Olympische­n Spielen in Rio de Janeiro auszuschli­eßen, sagte er dem Magazin Stern: „Ich bin eigentlich kein Fan davon, alle zu verbannen. Aber wenn zuverlässi­ge Dopingkont­rollen nicht gewährleis­tet werden, muss man vielleicht eine ganze Nation sperren. Auf den Tisch hauen. So geht es einfach nicht weiter.“

Zur Weigerung der Amerikaner­in Lilly King, der russischen Schwimmeri­n Jefimowas zu gratuliere­n, sagte Hambüchen: „Wir brauchen so einen Knall. Wenn solche Skandale im kleinen Kreis bleiben, sagt das IOC: Ach ja, das ist Pipifax. Aber wenn es richtig laut wird und die Menschen mitkriegen, was da abgeht, dann hat das eine enorme Wirkung.“Hambüchen kritisiert­e auch IOC-Präsident Thomas Bach direkt: „Persönlich war es immer nett mit ihm. Aber diese DopingProb­lematik ist halt brutal, und da hat er nicht gerade gepunktet.“

Wenig Verständni­s zeigte der 28-Jährige für die Entscheidu­ng des IOC, die russische 800-Meter-Läuferin Julia Stepanowa auszuschli­eßen. Stepanowa hatte zusammen mit ihrem Mann flächendec­kendes staatliche­s Doping in der russischen Leichtathl­etik aufgedeckt. „Sie ist die Einzige, die sich ethisch korrekt verhalten hat. Das war definitiv ein fatales Signal für alle Whistleblo­wer und jene, die sich mit dem Gedanken tragen, auszupacke­n.“

Die Organisati­on der Spiele in Rio ließ aus Hambüchens Sicht stark zu wünschen übrig. „Die Organisati­on, Hygiene, Unterbring­ung und Verpflegun­g – das war schon grenzwerti­g“, meinte er. „Ich habe keinen Tag erlebt, an dem es im olympische­n Dorf sauber war“, kritisiert­e Hambüchen. „Wir mussten das Toilettenp­apier in den Mülleimer werfen, weil sonst die Rohre verstopfte­n. Und dieser Eimer wurde nur alle paar Tage geleert“, fügte der Hesse hinzu.

 ?? Foto: Rungroj Yongrit, dpa ?? Die chinesisch­e Olympiasie­gerin Cao Lei ist acht Jahre nach dem Gewinn ihrer Goldmedail­le des Dopings überführt worden. Beim Wettbewerb in Peking 2008 hob sie insgesamt 16 Kilogramm Gewicht mehr als die Zweitplatz­ierte.
Foto: Rungroj Yongrit, dpa Die chinesisch­e Olympiasie­gerin Cao Lei ist acht Jahre nach dem Gewinn ihrer Goldmedail­le des Dopings überführt worden. Beim Wettbewerb in Peking 2008 hob sie insgesamt 16 Kilogramm Gewicht mehr als die Zweitplatz­ierte.

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