Wo es alles für ein paar Euro gibt
Sozialkaufhäuser boomen. Manche Kunden wollen ihren Geldbeutel schonen, andere die Umwelt. Im Haunstetter Contact werden sechs Tonnen Ware abgegeben – pro Tag. Doch es geht nicht nur ums Verkaufen
Ein Meer aus Kleiderständern füllt fast die gesamte Halle, allesamt vollgepackt mit Blusen, Hosen, Kleidern. Schuhe reihen sich in schier endlosen Bahnen. Regale mit Büchern türmen sich auf, und nebenan gibt es Gläser, Vasen, Tassen soweit das Auge reicht. Besucher sehen: Das Sozialkaufhaus Contact in Haunstetten boomt. Sechs Tonnen gespendeter Waren erhält es jeden Tag – von Möbeln über Heimtextilien bis hin zu Fahrrädern. „Alles, was zu schade ist, um es wegzuwerfen, bringen die Menschen zu uns“, erklärt die Vorsitzende des Vereins Contact in Augsburg, Roswitha Kugelmann. Für kleines Geld können die Sachen dann erstanden werden. Und das passiert in ebenso großen Massen. Jeden Tag. „Vor allem jetzt in den Sommerferien ist der Zustrom beinahe doppelt so groß wie normalerweise“, sagt Kugelmann stolz und ist froh, dass sie diese enormen Verkaufsflächen anbieten kann: „Durch die Größe und diese Massen an Waren können wir die Preise gering halten und unsere Kosten dennoch selbst tragen.“Sobald ein Umsatzplus entsteht, wird dieses in Arbeitsplätze umgewandelt. Insgesamt konnten so bereits 80 Stellen geschaffen werden, die Langzeitarbeitslosen und Behinderten eine Chance bieten.
Geringe Preise, die gibt es im Contact tatsächlich: ein T-Shirt für einen Euro, eine Hose für drei. Das lockt ein ganz unterschiedliches Pu- blikum an: „Zu uns kommen Studenten, Händler, Senioren, Menschen, die aufs Geld schauen müssen, aber auch immer mehr Leute, die nicht zur Schnäppchenjagd da sind, sondern wegen des Umweltschutzes“, sagt die 62-Jährige. In Zeiten der Konsumgesellschaft, werde es immer mehr Menschen wichtig, dem Wegwerfen ein Ende zu bereiten und stattdessen zu recyceln.
Sozialkaufhäuser boomen in Augsburg (siehe Infokasten unten). Viele haben Spezialangebote, so betreibt die Caritas in der Depotstraße außer dem Secondhand-Laden auch ein Café. Das bunt gemischte Publikum ist Programm: „Wir versuchen, für alle Bevölkerungsschichten etwas da zu haben – und wir haben genug für alle“, versichert Kugelmann. So gibt es neben den Ständern mit Ein-Euro-Shirts auch solche, die mit dem Schild „Markenkleidung“ausgestattet sind. Hier koste ein T-Shirt dann eben zwei Euro. Weiter hinten im Laden hält die „Boutique“Schmuckstücke für echte Schnäppchenjäger bereit: eine Lederjacke für 20 Euro, Schuhe der teuren Marke Gabor für einen Zehner. Und wer es wirklich schwer hat, für den gibt es im „B-Zelt“drei Kleidungsstücke für einen Euro.
Stolz zeigt die Rumänin Corina Nicu ihrem Freund Oliver Lewin das blaue Kleid mit den weißen Punkten. „Schau, was ich gefunden habe.“Sie sei des Öfteren in dem Sozialkaufhaus: „Meine Mama liebt Kleidung“, begründet sie das. „Das ist unser Hobby“, bestätigt Mutter Cristina Nicu und hält selbst etliche Stücke in der Hand.
Im Hintergrund durchstöbern Flüchtlinge die Kleiderständer nach Hemden und T-Shirts. Gerade sie seien auf Sozialkaufhäuser wie Contact angewiesen: „Die haben eine minimale Erstausstattung bekommen, aber gerade die Kinder brauchen mehr: Bücher, Spielzeug und natürlich Kleidung für jede Jahreszeit“, weiß Kugelmann. All das gebe es im Sozialkaufhaus und sogar noch mehr: „In unserem Café haben wir kostenloses WLAN, sodass viele Asylbewerber hier herkommen, um Kontakt zu ihren Familien zu halten.“Das macht auch Djaffal Selum. Der 25-jährige Syrer ist seit eineinviertel Jahren in Deutschland. Seit Kurzem arbeitet er im Sozialkaufhaus in der Warenannahme und ist sehr froh über die bezahlte Stelle. Selum hat es nicht leicht: Seine Frau ist noch immer in Syrien und es gibt noch etwas, das der ehemalige Philosophiestudent vermisst: seine geliebten Bücher. „Wir versuchen nun gemeinsam, arabische Bücher aufzutreiben“, sagt Kugelmann.
Renate Reißner sucht die Geschirrregale regelmäßig nach Brauchbarem ab. „Ich habe ein Haus in Ungarn und suche hier nach günstigen Sachen, die ich dort an Bedürftige verschenken kann“, sagt sie. „Vor allem über Töpfe und Schalen freuen die Menschen dort sich.“Auch Claudia Deeney ist Wiederholungstäterin. Sie sucht im Contact nach Büchern. Die gibt es hier zum Kilopreis von 2,50 Euro.
Doch das Sozialkaufhaus ist mehr als nur ein Laden. Neben Deutschunterricht für Ausländer und Hilfstransporten nach Rumänien ist es seit neustem auch „Fairteilerstelle“für Foodsharing. Augsburger können so übrig gebliebene Lebensmittel weiterverschenken. „Aus den geretteten Lebensmitteln bereiten wir jeden Tag ein kostenloses Mittagessen“, so Kugelmann.
Und hinter den großen Hallen erstreckt sich ein weiteres Highlight. Auf Hochbeeten gedeihen Tomaten, Salate und Kräuter. Um eines der Beete kümmert sich Elfie Petruck. Seit dreieinhalb Jahren arbeitet die ehemalige Schulsekretärin im Sozialkaufhaus: „Ich hatte früher einen Schrebergarten und freue mich daher sehr über das Hochbeet hier.“
Eine ganz andere Form des Sozialkaufhauses stellt der Flohmarktladen Collage in der Innenstadt dar. Im Vergleich zum Contact erscheint er beinahe winzig. Während im Contact Warenmassen beeindrucken, sind es im Collage hochwertige Schmuckstücke. Keine angestaubte Deckenlampe von Oma, keine abgegriffenen Schallplatten. Stattdessen sind auf Schränken hübsch dekoriert und nach Themen sortierte Stücke zu sehen. Asiatische Reisschalen stehen vor einem kleinen Kirschblütenbild, afrikanische Figuren und Vasen zieren die beleuchtete Nische, auf dem geblümten Bauernschränkchen stehen Teller und Tassen.
„Wir verkaufen hier nur gespendete Dekoartikel, Porzellan oder Gläser. Kleidung haben wir im Collage nicht im Angebot“, sagt Linda Kelbsch vom Sozialverband SKM. Daher geht es in dem Flohmarktladen bei Weitem ruhiger zu.
15 bis 30 Kunden seien es am Tag und auch die Warenannahme ist nicht mit den sechs Tonnen des Contacts zu vergleichen. „An manchen Tagen bekommen wir gar keine Spende, nach gezielten Spendenaufrufen bringen die Leute dann schon ein bisschen was vorbei.“Günstig ist es im Collage aber ebenfalls. Eine Vase für 2,50 Euro oder ein hochwertiges Kaffeegeschirr für 20 Euro. Allerdings seien es weniger Bedürftige, die das Sozialkaufhaus nutzen. Diese erhalten dafür die Einnahmen aus dem Verkauf. „Der Erlös geht an die Projekte des SKM wie die Wohnungslosenhilfe, die Wärmestube und so weiter“, erklärt Kelbsch. Und auch die Spenden, die bei den kostenlosen Veranstaltungen im Collage zusammen kommen, fördern den SKM. „Mal gibt es eine Lesung oder auch einen Liederabend.“Das passende Ambiente dafür bietet der extravagante Laden jedenfalls.
Im Markt der Caritas gibt es sogar ein Café Das Collage bietet Kunst und Krempel