Friedberger Allgemeine

Spielekons­olen haben Pause – die Natur ruft

Was bringt Kinder heute noch dazu, ins Zeltlager zu gehen? Die Nintendo-Generation gibt Antworten

- VON MARCO KARP

Pöttmes-Handzell Kinder strecken ihre Köpfe zusammen, stürzen von der Tischtenni­splatte zum Basketball­platz, jagen über Äste. Aber sie schielen auf keine Displays oder suchen Pokémons. Nein, diese Jugendlich­en nehmen am Sommerzelt­lager „Let’s go Camping“des Kreisjugen­drings (KJR) AichachFri­edberg am Mandlachse­e teil, das eine Woche dauert. Gottfriede Schwitters, Geschäftsf­ührerin des KJR Aichach-Friedberg, sagt: „Wir haben 72 Kinder hier im Alter von sieben bis fünfzehn Jahren – normalerwe­ise sind es nicht so viele. Warum dieses Jahr so viele kommen, wissen wir nicht.“Laura, 9 Jahre, hat eine Antwort: „Hier hat man viel Platz zum Spielen und man findet neue Freunde. Man entdeckt neue Dinge, kein Tag ist gleich.“

Tägliche Rituale gibt es aber doch: Morgens spielt die Gruppe ein Großgruppe­nspiel. Die 19-jährige Betreuerin Enya erklärt, was sich dahinter verbirgt: Die Ausgangspo­sition ist ein Kreis. Die Jugendlich­en halten sich an den Händen. Dann lassen sie los und gehen mit verschloss­enen Augen in die Kreismitte. Ziel ist es, einen neuen Kreis zu bilden. Jeden Abend gibt es ein Lagerfeuer, an dem die Jugendlich­en mal Marshmallo­w, mal Stockbrot grillen. Nach dem Motto „Reise um die Welt“steht jeder Tag im Zeichen eines Landes.

Montags lernen die Kinder Indien kennen – mit Tattoos und indischer Gemüsepfan­ne zum Abendessen. Weiter geht es in den kalten regnerisch­en Norden: Der Zeltplatz hat sich in Irland verwandelt. Die Jugendlich­en gehen auf Schatzsuch­e. Nächster Stop: Australien. Die Kinder entdecken den Kontinent mit Rätseln und selbst gebastelte­n Armbändern. Fußball und England, das passt, und so stand am England-Tag ein Fußballtur­nier auf dem Programm. Am Tag vor der Abreise freuen sich die Jugendlich­en über Barbecue: Die USA schließt die Reise um die Welt. Wer keine Lust auf Angebote wie Fußballspi­elen hat, „der zieht sich zurück oder macht etwas anderes“, sagt Gottfriede Schwitters. Matthias, Daniel, Alex, Sascha, Emil und Lukas werfen Körbe. „Ich mag die Gemeinscha­ft hier“, meint Matthias, 13. Der elfjährige Sascha fällt ihm ins Wort: „Und die netten Betreuerin­nen.“

Die 18-jährige Katharina ist eine dieser Betreuerin­nen. Sie macht eine Ausbildung zur Erzieherin und ist wegen der Kinder hier: „Ich will sie unterstütz­en, sie für neue Dinge begeistern.“Diese Freude spüren die Kinder. Viele waren schon einmal im Zeltlager des KJR. Die Geschwiste­r Lisa und Anna schon zweimal, ihre jüngste Schwester Calla ist zum ersten Mal dabei: „Das Baden im Mandlachse­e ist toll und das Essen schmeckt auch immer“, erzählt Lisa, während die beiden anderen zustimmend nicken.

Viele Geschwiste­r sind im Zeltlager, aber auch Freunde, die die Sommerferi­en zusammen verbringen möchten. Jakob, 12, berichtet: „Ein Freund hat mir von dem Zeltlager erzählt. Nun sind wir beide da und übernachte­n in der freien Natur.“Jedes Zelt hat eine eigene Flagge und einen Namen. Die Jungs Leon, Toby, Josh, Leon und Ryan tauften ihr Zelt „Die Kampfbiber“. Die fünf liegen entspannt in ihren Schlafsäck­en und „chillen“. Genau das macht Zelten noch heute für Jugendlich­e attraktiv: kreatives Basteln, Spielen in der Natur und vor allem neue Freundscha­ften. Da haben Handy oder Playstatio­n für eine Weile Sendepause. »Lies mich!

 ?? Foto: Marco Karp ?? Eine richtige Zeltstadt ist am Mandlachse­e entstanden, 72 Jugendlich­e unternahme­n dort eine Woche lang eine fiktive Reise um die Welt.
Foto: Marco Karp Eine richtige Zeltstadt ist am Mandlachse­e entstanden, 72 Jugendlich­e unternahme­n dort eine Woche lang eine fiktive Reise um die Welt.

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