Ein Brauer, der den Störchen hilft
Serie (Teil 10) Die Storchenbrauerei in Pfaffenhausen hat eine lange Tradition in der Region. Das Sterben vieler Wirtshäuser auf dem Land stellt aber auch sie vor neue Herausforderungen
Pfaffenhausen Es gibt eine Sache, über die sich Hans Roth herrlich aufregen kann. Er spricht dann ein bisschen lauter, ein bisschen hitziger. „Manche Leute“, sagt er, „die legen ihre Biergläser in die Spülmaschine.“Roth macht eine kurze Pause. „Und dann wundern sie sich, dass sie keinen richtigen Schaum bekommen.“Der Brauer hat dafür nicht viel Verständnis. Biergenuss fängt für ihn schon beim Glas an.
Roth, 43 Jahre, rot-brauner Bart, offenes Lachen, ist Junior-Chef der Storchenbrauerei in Pfaffenhausen im Unterallgäu. Er ist Bier-Sommelier, kann stundenlang über Sorten und Aromen sprechen. Wenn er über seine Leidenschaft redet, dann klingt das aber nicht abgehoben, sondern bodenständig, ehrlich. Ihn faszinieren alle Aspekte des Biertrinkens: das Einschenken, das Trinken und eben auch die Behandlung des Glases. Über seinem Bräustüberl hat Roth ein Museum eingerichtet, in dem er historische Zapfsäulen ausstellt. Seine Sammlung ist in Deutschland einzigartig.
Das Storchenbräu, das Roth gemeinsam mit seinem Vater führt, hat ein klassisches Bier-Sortiment: ein Helles, ein Dunkles, ein Pils, im Winter und im Frühjahr ein Bockbier, Meister Adebar, und seit kurzem auch ein Weißbier, den Weißstorch. Roth ist keiner, der jedes Jahr ein neues Bier auf den Markt bringt. „Wir verbessern lieber die Sorten, die wir haben.“
Die Storchenbrauerei liegt mitten im Ort, zwischen Kirche und Gasthof. Seit fast 400 Jahren wird an diesem Ort Bier hergestellt, genauso lang existiert auch schon der Name, damals noch in anderer Schreibweise: „Zum Storgen“. Pfaffenhausen ist einer der südlichsten Nistplätze für Störche in Deutschland. Im Ort und in der Umgebung sieht man unzählige Vögel und Nester.
Seit 1873 gehört die Brauerei Roths Familie. Storchenbräu, das ist seit Jahrzehnten ein fester Name in der Region. Nicht nur wegen des Biers, sondern auch wegen des Mineralwassers und der Limonaden, die aus der hauseigenen Produktion kommen. Rund 40 Kilometer in jede Himmelsrichtung liefert die Brauerei aus. Früher, da ging das Bier vor allem an die Gasthöfe in der Umgebung. Es wurde am Stammtisch getrunken, an der Theke oder im Biergarten. Seit knapp zwei Jahrzehnten gibt es aber eine Entwicklung, die auch die Art verändert hat, wie auf dem Land und in der Stadt Bier konsumiert wird: das Wirtshaus-Sterben. Der Strukturwandel, das Rauchverbot, die Promillegrenze – all das hat dazu beigetragen, dass heute viele Menschen ihr Bier daheim trinken.
Hans Roth schätzt, dass er mittlerweile 30 Prozent weniger Bier an Gastwirtschaften verkauft als noch vor zehn Jahren. Die Brauerei setzt heute auf ein anderes Konzept: Ihr Bier steht in deutlich mehr Getränkemärkten als früher. Daneben hat sich Roth auf Feste spezialisiert. Wenn in der Umgebung die Vereine feiern, dann liefert er das Bier – und alles, was noch ins Festzelt gehört: Biertische, Bänke, Zapfanlagen. Mit dem neuen Modell hat die Brauerei Erfolg: Heute verkauft Roth 20 Prozent mehr Bier als vor zehn Jahren.
Das hat auch mit dem neuen Image zu tun, das der Junior-Chef dem Traditionsunternehmen verliehen hat. Der 43-Jährige ist vor 15 Jahren in das Geschäft eingestiegen. Damals kam er gerade frisch vom Studium, Betriebswirtschaftslehre, „mit ganz vielen Ideen im Koffer“, wie er heute erzählt. Seine Abschlussarbeit hat er über die Frage verfasst, wie sich eine Sortimentsbrauerei in eine lokale Marke verwandeln lässt. Roth geht den harten Weg: Er kauft eine dreirädrige Ape, lässt sich einen überdimensionierten Bierkasten auf die Ladefläche bauen und stellt sich vor die Supermärkte. Er will das neue Bier der Brauerei bewerben: das Störchle, ein Helles, das in einer besonders langhalsigen Flasche verkauft wird – eine Hommage an den Namensgeber der Brauerei. Mit der Sorte unterstützt die Brauerei den Landesbund für Vogelschutz. Von jeder Flasche fließt ein nicht näher genannter Betrag in den Schutz der Störche. 60 000 Euro sind so in den vergangenen Jahren zusammengekommen.
Zehn Jahre fährt Roth mit seiner „Klapperkiste“durch die Region. „Irgendwann war ich nur noch der Störchlemann“, erzählt er und lacht. Heute ist das Störchle die beliebteste Marke im Sortiment, es macht 35 Prozent am Gesamt-Bier-Umsatz aus.
Roths Werbeaktionen fallen in eine Zeit, in der regionales Bier keinen allzu guten Stand hat. „Die meisten Menschen haben damals die Fernsehbiere getrunken“, sagt Roth und meint große Marken wie Warsteiner oder Beck’s. Erst in den vergangenen Jahren hat sich das gewandelt: Immer mehr Kunden setzen auf Bier aus kleinen Brauereien. „In unsicheren Zeiten wollen die Menschen sehen, wie der Mensch aussieht, der ihnen etwas verkauft“, sagt Roth. Und, so glaubt er, viele Kunden wollen heute lieber unbehandeltes Bier trinken. Also Sorten, die nicht künstlich haltbar gemacht werden. Das Helle aus der Storchenbrauerei hält sich sechs Monate, das Weizen nur vier Monate. „Gutes Bier ist frisches Bier“, sagt Roth. Deshalb hält er den eigenen Vertrieb hoch. Die Brauerei hat acht eigene Lastwagen, täglich sind die Fahrer unterwegs, um das Bier zu Getränkemärkten, Gastwirtschaften und Vereinsheimen zu bringen. Zweimal in der Woche setzt sich Roth auch selbst ans Steuer und fährt sein Bier aus. Er brauche das, sagt er. Den Kontakt mit den Kunden. Denn wer nur im Büro sitze, „der bekommt doch nichts mit“. Aus Anlass des 500-jährigen Bestehens des Reinheitsgebots in Bayern bieten wir eine Serie zum Thema Bier. Unsere Reporter versuchen, den Geheimnissen des Gerstensafts in der Region auf die Spur zu kommen.