Friedberger Allgemeine

Mann belog alle – selbst seine Ehefrau

Weil der Ingenieur wegen seiner Vorstrafen keine Wohnung fand, mietete das Paar Ferienappa­rtements, bezahlte aber nie. Für den 54-Jährigen hat dies schwerwieg­ende Folgen

- VON MICHAEL SIEGEL

Immer mächtiger wurde die Lawine, die ein 54-jähriger Mann mit Betrügerei­en losgetrete­n hatte. Zur Verhandlun­g vor dem Amtsgerich­t wegen gewerbsmäß­igen Betrugs wurden er und seine 56-jährige Ehefrau aus dem Gefängnis vorgeführt. Während sie nach einem Freispruch aus der Haft entlassen wurde, kamen zu seinem Strafregis­ter weitere eineinhalb Jahre Haft hinzu. Der Prozess wurde den beiden gemacht, weil sie sich monatelang in Ferienwohn­ungen in Österreich aufgehalte­n hatten und Rechnungen in Höhe von 6000 Euro schuldig geblieben waren.

Die Schwierigk­eiten für das Ehepaar hatten sich angekündig­t – zumindest für den 54-jährigen Maschinenb­auingenieu­r. Seine Ehefrau, von Beruf Krankensch­wester und Ausbilderi­n, war hingegen nach Ansicht von Richterin Ulrike EbelScheuf­ele fortwähren­d „hinters Licht geführt“worden. Weil gegen den Ehemann wegen vorangegan­gener Delikte ein Haftbefehl erlassen worden war, hatten die beiden Probleme, sich in Deutschlan­d eine neue Bleibe zu suchen. Die alte Wohnung in Augsburg war aufgegeben worden. Während sie in dem Glauben war, der gesamte Hausrat sei auf dem Weg nach Neuseeland, wo man sich eine neue Existenz aufbauen wollte, wusste er, dass die Sachen nach einer Zwangsräum­ung gepfändet worden waren.

Wo also bleiben? Man kam auf die Idee, Ferienwohn­ungen anzumieten. Von Mellau ging es nach Hardt, Feldkirch, Schopperna­u. Mal blieb man sechs Wochen, ein anderes Mal nur 20 Tage, so lange, wie sich Zahlungen an die Vermieter hinauszieh­en ließen. Insgesamt fünf Fälle aus einem Zeitraum zwischen Oktober 2014 und dem Sommer 2015 waren angefallen, wo die Bezahlung ganz oder teilweise ausblieb. Während er sie glauben ließ, er habe die Wohnungen bezahlt, verschwand man jeweils kurz vor der Geldüberga­be.

Eine Vermieteri­n, die als Zeugin aus dem österreich­ischen Vorarlberg angereist war, bestätigte diese Vorgehensw­eise. Insgesamt acht Mal habe der Angeklagte die Wohnungsan­mietung verlängert, so lange, bis allein bei ihr eine Mietschuld von 2500 Euro aufgelaufe­n war. Einen Tag vor der angekündig­ten Bezahlung war der Angeklagte verschwund­en, auf ihr Geld warte sie bis heute.

Der Ingenieur räumte die Vorwürfe ein. Er sei auf der Flucht vor der Vollstreck­ung des Haftbefehl­s gewesen, so sei eines zum andern gekommen. Er habe bis zuletzt die Hoffnung gehabt, die Ferienwohn­ungen bezahlen zu können. Der Zeugin versprach er, dies nachzuhole­n, sobald er es könne. „Ich verstehe das Ganze selber nicht“, sagte er dem Gericht.

Seine Ehefrau, die ihren Partner kaum eines Blickes würdigte, musste sich immer wieder tief enttäuscht abwenden. Ihr Verteidige­r Andreas Fischer führte aus, das einige der fünf Delikte, mit denen sie im Bundeszent­ralregiste­r eingetrage­n ist, aufgrund von Verfehlung­en ihres Ehemannes entstanden seien. So sei sie in Haft genommen worden, obwohl sie nie etwas von einem gegen sie laufenden Verfahren gemerkt habe. Der Mann habe ihr den gesamten Schriftver­kehr unterschla­gen, Unterschri­ften nachgeahmt.

Richterin Ebel-Scheufele folgte in ihrem Urteil für die angeklagte Ehefrau der Forderung der Staatsanwa­ltschaft und des Verteidige­rs nach einem Freispruch. Die Beweisaufn­ahme habe zusätzlich zum Geständnis des Ehemannes ergeben, dass die 56-Jährige wohl in die Machenscha­ften ihres Partners hineingezo­gen worden sei. In ihrem Fall gelte die Devise „im Zweifel für die Angeklagte“.

Weniger glimpflich kam der 54-Jährige davon, dem die Richterin hohe kriminelle Energie attestiert­e und bei dem sie keine günstige Sozialprog­nose erkennen konnte. Immerhin stünden für ihn seit Mitte der 90er Jahre zehn einschlägi­ge Urteile wegen Betrügerei­en in den Akten. Mit dem Urteil von einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen gewerbsmäß­igen Betrugs bewegte sie sich in der Mitte der Forderunge­n der Staatsanwa­ltschaft und seines Verteidige­rs Jörg Seubert.

Eine Aussetzung zur Bewährung kam für den Angeklagte­n nicht in Betracht. Er wurde nach der Verhandlun­g von Justizmita­rbeitern zurück in seine Gefängnisz­elle gebracht.

Der Angeklagte versteht „die Sache selber nicht“

 ?? Foto: Anne Wall ?? Gebrannt hat es Freitagmit­tag im Martinipar­k.
Foto: Anne Wall Gebrannt hat es Freitagmit­tag im Martinipar­k.

Newspapers in German

Newspapers from Germany