So klang Venedig
Mit Rosenmüller, Monteverdi und Vivaldi
Zwischen Johann Rosenmüller und Vivaldi fand eine Umkehr statt. Johann Rosenmüller richtete am venezianischen Ospedale della Pietà noch die Musik nach dem Wort – Vivaldi quasi als Enkel im Amt dagegen rund 50 Jahre später das Wort nach der Musik. Seine Vertonung des Psalms „Laetatus sum“, das am Freitagabend in St. Anna als jüngstes, fast schon klassisch klingendes Werk im Programm zu hören war, forderte von den Sängern als einzige einen Chorklang und führte federnd in einem Atem zum summarischen „Amen“hin.
Rosenmüller und Monteverdi dagegen schrieben musikalische Exegesen, den Charakter und Takt abschnittsweise wechselnd, wie ein Predigender. Mit Lautmalereien etwa wie das schier endlose Wiederholen von „semper“, kämpferischen Passagen an entsprechender Textstelle in „Dixit Dominos“von Johann Rosenmüller, mit einstimmenden Instrumental-Vor- und Zwischenspielen, die den Gesangspart vorausnahmen, unterstreichendem Rhythmus von deklamierend getragen bis tänzerisch verklanglichten Johann Rosenmüller und Claudio Monteverdi den Inhalt.
Alle drei Komponisten des Abends waren in Venedig angestellt gewesen, daher hieß das geistliche Konzert „Per Venezia“. Es gastierte das „Ensemble 1684“mit acht Sängern und sechs Instrumentalisten auf Originalinstrumenten unter der Leitung von Mitbegründer und Organist Gregor Meyer, der auch Gewandhauschorleiter ist. Seine Profession war zu hören: Zusammen- spiel und -Klang waren unter den Sängern und im Tutti ausnehmend ausbalanciert, die Stimmen sowohl solistisch als auch homogen im Ensemble. Die überwiegend jungen Sänger fanden sich in dem frühbarocken Stil sehr gut zurecht, die Koloraturen-Duette gelangen präzise und lyrisch, ferne wirkende Pianissimo gelangen staunenswert.
Manches geriet allerdings etwas verhalten: Potenzial zu mehr Plastischem, zu mehr Ausdruck gab es in manchen Nummern vor allem bei den Instrumentalisten, so in Johann Rosenmüllers „Sonata duodecima“. Kraftvoll und mitreißend gelang dagegen „Nunc dimittis“von Johann Rosenmüller als passendes, farbiges Finale, mit wirkungsvollem Echo, parallelen Koloraturen in großen Schritten. Der Beifall war stark und anhaltend.