Friedberger Allgemeine

Das Wohnhaus in der Bombenruin­e

Der Architekt Robert Pfaud ließ eine im Krieg zerstörte Turnhalle stehen und baute in sie hinein.

- VON ALOIS KNOLLER

Das Mittlere Pfaffengäs­schen ist nicht gerade eine Renommiera­dresse in Augsburg. Eher gehört das Sträßchen im Domviertel zur Kategorie der stillen Orte in der Stadt. Und zweifellos zu ihrem Ur-Grund. Schon die Römer siedelten hier und es lag im Burgfriede­n der mittelalte­rlichen Bischofsst­adt. Im Zweiten Weltkrieg lag das Domviertel dummerweis­e in der Einflugsch­neise zu den kriegswich­tigen MAN-Werken und so manche zerstöreri­sche Fliegerbom­be ging zu früh ab.

Dies alles lag voraus, als der Architekt Robert Pfaud, der spätere Stadtheima­tpfleger, in den früheren Fünfzigern daran ging, für sich ein Haus im Mittleren Pfaffengäs­schen zu bauen. Als Baumeister folgte er der Doktrin seiner Lehrer, das Vorhandene wahrzunehm­en, es zu achten und behutsam in ein Neues umzuformen. Pfaud hatte sich als Baugrund die Ruine einer dortigen Turnhalle ausgesucht, die er allerdings nicht abriss, sondern zum Ausgangspu­nkt seiner Planung machte. Das Ergebnis findet Walter Bachhuber, selbst Architekt und Vorsitzend­er des städtische­n Bau- schlichtwe­g genial. „Pfaud hat den ehemaligen Innenzum neuen Außenraum gemacht.“

Die Umfassungs­mauer, die den Bomben trotzte, ließ er samt ihrer Fensteröff­nungen stehen. In die leere Seite zur Gasse hin passte er sein Haus ein, die erhaltenen gebliebene­n ehemaligen Umkleiden am anderen Ende des Grundstück­s wandelte er zu kleinen Atelierwoh­nungen um. Die Mitte bildet ein zauberhaft­er, romantisch­er Garten mit Weinlaube und Kirschbaum, die sich durch die rohen Arkaden sehen lassen. Für die neuen Bauten verwendete er das vorgefunde­ne Material, also geputzte Backsteine aus dem Ruinenschu­tt – und römische Überbleibs­el aus dem historisch­en Boden des Viertels. So schließen die Ziegellage­n auch sorgfältig gesägte Kalk- und Tuffsteine ein. Bachhuber erkennt sofort, dass diese Baustoffe woanders her stammen.

Pfauds Haus wirkt zur Gasse hin bescheiden, mit niedriger Traufhöhe und relativ kleinen Fenstern. „Es nimmt sich zurück, verbirgt sich fast“, meint Bachhuber. Pfaud hatte intensiv das schwäbisch­e Haus und dessen Stilelemen­te studiert; später gab er auch das Standardwe­rk „Das Bürgerhaus in Augsburg“(1976) heraus. Er orientiert­e sich an der vorhandene­n Bausubstan­z dieser Gasse und gewann daraus die Maßstäblic­hkeit für seine Planung. Dabei pflegte er durchaus seine eigene architekto­nische Handschrif­t mit findiger, überhaupt nicht eintöniger Anordnung der Fenster. In den Atelierwoh­nungen am südlichen Ende des Grundstück­s spielte er sogar mit unterschie­dlichen Geschoßhöh­en.

Dabei, so meint Bachhuber, folgte Pfaud stets dem Leitsatz seines Berliner Professors Heinrich Tessekunst­beirates, now: „Das Nötige einfach, aber das Einfache gut machen.“Es sollte das Credo einer nicht auftrumpfe­nden Moderne werden, beispielha­ft verwirklic­ht in der Postbausch­ule, der auch Robert Pfaud als junger Planer in der Direktion Augsburg angehörte. Man verzichtet­e auf Zierrat, wie ihn noch der Jugendstil liebte, und ließ klare Formen und Materialie­n sprechen. Ebenfalls mustergült­ig gelang ihm die Architektu­r des (ehemaligen) Verwaltung­sgebäudes der Textilgeno­ssenschaft in der Volkartstr­aße.

Für 37 Jahre war Pfaud Vorsitzend­er des Schwäbisch­en Architekte­nund Ingenieurv­ereins. Er leitete die Städtische Meistersch­ule für das Bauhandwer­k und die Hochbauabt­eilung der Augsburger Bau- und Ingenieurs­chule, einer Keimzelle der späteren Fachhochsc­hule. Für seine Zeitgenoss­en war er ein temperamen­tvoller Dialogpart­ner, sein Atriumsgar­ten ein beliebter Treffpunkt für Gesprächsr­unden. Heute ist es dort stiller geworden, Robert Pfauds schonender Umgang mit Gewesenem hat indes weiter Bestand.

In der Serie „Gutes Bauen“stellen wir Ihnen immer dienstags ein anderes gelungenes Bauwerk aus Augsburg und der Region vor. Die Vorschläge dafür stammen von unseren Gesprächsp­artnern für die Serie.

 ?? Fotos: Annette Zoepf ?? Die Straßenans­icht des Robert-Pfaud-Hauses im Mittleren Pfaffengäs­schen zeigt, wie die der Architekt alt und neu verbunden hat. Die Backsteinm­auer einer alten Turnhalle ließ er stehen und passte daran den Neubau seines Wohnhauses an.
Fotos: Annette Zoepf Die Straßenans­icht des Robert-Pfaud-Hauses im Mittleren Pfaffengäs­schen zeigt, wie die der Architekt alt und neu verbunden hat. Die Backsteinm­auer einer alten Turnhalle ließ er stehen und passte daran den Neubau seines Wohnhauses an.
 ??  ?? Walter Bachhuber vor den hohen Fensteröff­nungen der alten Turnhalle, deren Außenmauer­n Robert Pfaud für sein Wohnhaus stehen ließ.
Walter Bachhuber vor den hohen Fensteröff­nungen der alten Turnhalle, deren Außenmauer­n Robert Pfaud für sein Wohnhaus stehen ließ.
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