Streit um Audis NS-Geschichte
VW-Chefhistoriker kritisiert Aufarbeitung
VW hat seine NS-Vergangenheit bereits in den 1990er Jahren untersuchen lassen
Wolfsburg/Ingolstadt Volkswagens Chefhistoriker Manfred Grieger sieht schwere Mängel bei einer wissenschaftlichen Studie, die die VWTochter Audi über ihre eigene Vergangenheit im Nationalsozialismus in Auftrag gab. Grieger attestiert dem Werk handwerkliche Fehler, eine verengte Sichtweise, einen lückenhaften Umgang mit Quellen und sprachliche Unschärfe.
Verfasst haben die Studie ein Audi-Historiker und ein Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte aus der TU Chemnitz. Ein Sprecher des Mutterkonzerns VW sagte, das Unternehmen äußere sich zu dem Thema nicht. Ein Audi-Sprecher wollte den internen Historikerstreit ebenfalls nicht kommentieren.
Grieger gilt als profilierter Forscher zur Zwangsarbeit unter den Nationalsozialisten. Er promovierte 1996 über „Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich“. Seit 1998 steht er in VWDiensten. Seine Generalkritik an der Untersuchung erschien in der „Zeitschrift für Unternehmensgeschichte (ZUG)“bereits Ende 2015. Die 518 Seiten starke Studie namens „Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union AG Chemnitz im Zweiten Weltkrieg“wurde im Jahr 2014 veröffentlicht.
Die Auto Union ist ein Vorgänger der heutigen VW-Tochter Audi AG. In manchen Betrieben der Auto Union soll laut der Studie zeitweise ein Sechstel der Belegschaft aus KZHäftlingen bestanden haben. Audi nahm die Analyse 2014 zum Anlass, Darstellungen zur NS-Verstrickung des Vorgängers Auto Union anzupassen. So wurden etwa Texte im Firmenmuseum und im Internet verändert.
In der Rezension des VW-Chefhistorikers heißt es nun, die Studie unterschlage zwar nicht „die Beziehungen zu den NS-Eliten durch die Vorstände Richard Bruhn, William Werner und Carl Hahn“, allerdings werde dieser Aspekt „in der Bedeutung heruntergespielt“. Audi nennt heute bei der Bruhn-Vita im Internetauftritt die „Verantwortung für den Einsatz von Zwangsarbeitern, KZ-Insassen und Kriegsgefangenen bei der Auto Union AG“. Ein ähnlicher Hinweis bei der Vita von Carl Hahn senior fehlt.
Die Audi-Mutter Volkswagen hatte die eigene NS-Geschichte bereits in den 1990er Jahren untersuchen lassen. Die Wurzeln von Volkswagen liegen im Nationalsozialismus. Hitler legte den Grundstein für das Stammwerk Wolfsburg, das mit Geld aus dem enteigneten Gewerkschaftsvermögen entstand. Audi gehört seit 1965 zum Konzern. Für seine Beziehungen zu Geschäftspartnern regelt VW heute in einem Vorgabenkatalog: „Volkswagen lehnt jegliche wissentliche Nutzung von Zwangs- und Pflichtarbeit einschließlich Schuldknechtschaft oder unfreiwilliger Häftlingsarbeit ab.“