Noch Fragen?
Das Fotografen-Duo „arge lola“erkundet Demokratie – auch mit einer interaktiven Wolke
Demokratie sei „ein Garten des Menschlichen, der dauernder Pflege bedarf.“So steht es eingangs der Höhmannhaus-Galerie oben an der Wand und bekundet die didaktische Absicht, welche die Stuttgarter Fotografen Kai Loges und Andreas Langen („die arge lola“) mit dieser Ausstellung verbinden. Sie ist eine Auswahl aus den letzten acht Jahren ihres Langzeitprojekts „on democracy“und zeigt 65 Bilder und ein Objekt. Dieses, ein verkohltes Stück Holz, gehörte zu einer Gartenhütte in Winterbach (Württemberg), die 2011 von Neonazis angezündet wurde, weil sich junge Männer vor ihnen versteckt hatten.
Als „Relikt Brandanschlag“liegt es greifbar auf einem Podest – so wie auf den Fotos scheinbar greifbar der Dokumentenkoffer der Stuttgarter Landesregierung, die Flaggenhalter im Straßburger EU-Parlament oder der ramponierte Mantel eines Demonstranten auf dem Maidan in Kiew.
Die Ausstellung lebt von der Divergenz der Eindrücke. Der Kampf um Freiheit hier, deren demokratische Verwaltung dort. Die junge Frau mit zwei roten Nelken auf dem Maidan, allein mit ihrer Ergriffenheit, zählt zu den anrührendsten Motiven. Daran gemessen, wirken Zeugnisse parlamentarischen Wirkens eher fad. Das liegt in der Natur der Sache , wird aber auch befördert durch die von Kai Loges und Andreas Langen bevorzugte Technik des Andeutens und Segmentierens. Das Detail, das vermeintlich Nebensächliche wird zur Hauptsache, wird mehrdeutig.
Der besagte Mantel auf dem Maidan steht für „Revolution“, das eingedrückte Sitzpolster für „Büro des Außenministers“, die Hand eines EU-Parlamentariers (nebst Kaffee und Mineralwasser) für „Ausschuss-Sitzung“, die blessierte Hand hinter einem uniformierten Rücken für „Denkmalseinweihung“, das Geflecht rot-weißer Absperrbänder für „Flüchtlingsunterkunft“. Nicht ohne Ironie stoßen solche Momentaufnahmen der beiden Fotokünstler an, was vom Betrachter weiter gedacht, weiter gefühlt werden soll.
Handgreiflich wird die Interaktion durch die so genannte „Fragewolke“. Sie besteht aus beschrifteten Karten, die an roten Fäden vom Galeriegewölbe hängen. Sie verdichtet sich durch Karten, die Gäste hinzufügen können, wenn sie einem Aufruf der „arge lola“nachkommen. Dieser lautet knapp: „Noch Fragen?“Vorgegebene Fragen heißen beispielsweise „Trinken Sie noch Krim-Sekt?“, „Kennen Sie Ihre Pro-Kopf-Verschuldung oder ist sie Ihnen egal?“oder „Ist der Hinduismus ein Teil Deutschlands? Der Sufismus? Der Kubismus?“Der Surrealismus? Der Alkoholismus? Der Nationale Sozialismus?“Besucher haben mit Aufschriften wie diesen reagiert: „Warum muss alles penetrant zusammengewürfelt werden, obwohl es de facto nicht passt?“oder „Warum glauben so viele Menschen, dass das Gute vom Staat kommt?“
Die „Fragewolke“hat mit den Fotografien selbst nur indirekt zu tun, doch wie diese und mit diesen führt sie zur Besinnung über das kostbare Pflänzlein Demokratie.
„on democracy“, die Ausstellung der beiden Stuttgarter Fotografen Kai Loges und Andreas Langen („die arge lola“), ist in der Neuen Galerie im Höhmannhaus (Maximilianstraße 48) bis zum 25. September zu sehen. Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr.